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Investigativ-Journalistin: Weinstein-Verfahren wichtig für Betroffene

Die Investigativ-Journalistin Juliane Löffler sieht die Wiederaufnahme von Verfahren gegen den früheren US-Filmproduzenten Harvey Weinstein als wichtiges Signal für Betroffene von Missbrauch und sexualisierter Gewalt auch hierzulande. Der Blick auf den Fall Weinstein zeige, welche Auswirkungen es haben kann, etwa in Form des Strafmaßes, wenn sich Betroffene wehren, sagte Löffler im Interview mit dem WDR-„Morgenecho“ am Dienstag. Insofern habe dieser Fall eine enorme Symbolwirkung auf Menschen, die sich nicht trauten oder noch abwägten, derartige Vorwürfe gegen eine Person öffentlich zu machen oder in einem Verfahren gegenüber der Justiz zu erheben.

Gegen den einstigen Produzenten Weinstein war in den USA ein Urteil mit mehrjährigen Haftstrafen wegen Vergewaltigung und sexueller Nötigung wegen Verfahrensfehlern aufgehoben worden. In der am Dienstag begonnenen Wiederaufnahme in New York müssen unter anderem die beiden Hauptzeuginnen neu aussagen. Ein dritter Fall wurde zusätzlich in die Klage mit aufgenommen.

Löffler betonte, dass durch die damals mit dem Fall Weinstein aufgekommene Bewegung #MeToo global viel in Bewegung geraten sei. Missbrauchsvorwürfe und Vorwürfe der sexualisierten Gewalt seien „sehr viel sagbarer“ geworden. Betroffene sähen, dass sie nicht alleine seien, und das Thema mit weniger Tabus belegt sei als früher. Auch seien Änderungen im Justizsystem zu erleben.

In den USA beispielsweise habe der Fall Weinstein hohe Haftstrafen bewirkt, erläuterte Löffler. Und eine besondere Justizmaßnahme habe es Opfern von sexualisierter Gewalt und Missbrauch erlaubt, ein Jahr lang Zivilklagen zu bereits verjährten Fällen einzureichen. Daraus hätten sich über 2.500 Klagen ergeben, unter anderem gegen weitere Prominente aus der Film- und Musikbranche oder der Politik.

Löffler, die mit Kollegen im Fall des einstigen „Bild“-Chefredakteurs Julian Reichelt recherchiert hatte, räumte ein, dass viele Betroffene aus Mangel an Beweisen den Gang vor Gericht scheuten. Die Taten geschähen in der Regel hinter verschlossenen Türen und ohne Zeugen. Aber für Betroffene, die bisher davon ausgingen, dass ein Schritt an die Öffentlichkeit nichts bewirke, sei es wichtig, auf Fälle wie Weinstein zu blicken.

Grundsätzlich bleibe problematisch, dass weiterhin trotz besserer Zahlen vieles im Verborgenen bleibe, sagte Löffler. Aus Dunkelfeldbefragungen könne abgeleitet werden, dass nur etwa ein Prozent aller Sexualdelikte angezeigt wird. Zudem gebe es eine Art „Backlash“, eine Gegenbewegung, die wolle, dass kritische Stimmen schweigen. Typische Argumente seien dann, dass alles nur gelogen sei oder es sich um Rachekampagnen der betroffenen Frauen handele.