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Immer perfekt? Nein!

„Hello Mrs. Perfect“ hieß das Motto des dritten westfälischen Frauenkirchentags. Dabei nahmen die Teilnehmerinnen den stetigen „Druck zur Selbstoptimierung“ kritisch unter die Lupe

So viele Frauen wie sich angemeldet hatten, konnte Ute Böning in ihren Workshop nicht aufnehmen. 20 Personen, so sagt sie, sei das Maximum. Sonst könne man nicht sinnvoll miteinander arbeiten. Es war das Thema, das offenbar viele Frauen interessierte: „Von der Kunst, nein zu sagen“. Ute Böning, Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte im Kirchenkreis Hamm, weiß, dass es oft Frauen besonders schwerfällt, Ansprüche, die an sie herangetragen werden, auch mal abzulehnen, auch mal nein zu sagen, wenn es darum geht, den xten Kuchen zu backen, eine Gemeindeveranstaltung vorzubereiten oder hinterher das Aufräumen zu übernehmen. Darum hat sie auch einen Trost bereit für die Teilnehmerinnen ihres Workshops: „Sie sind in guter Gesellschaft.“

Nein sagen – statt sich hinterher zu ärgern

Dennoch. Manchmal muss frau einfach nein sagen. Weil sie sich sonst hinterher ärgert, dass sie wieder mal schwach geworden ist. Zum Beispiel aufgrund ihres Selbstbildes, das das eines stets hilfsbereiten Menschen ist. Oder aufgrund ihres Harmoniebedürfnisses (schließlich will sie es sich ja mit niemandem verderben). Oder aufgrund ihres Perfektionismus, der von ihr verlangt, alle ihr aufgetragenen Aufgaben untadelig zu erledigen. Nach zwei Stunden jedenfalls hatten die Teilnehmerinnen Werkzeuge an der Hand, die es ihnen künftig leichter machen sollen, auf „sozialverträgliche Weise“ (Böning) nein zu sagen, wenn ihnen ihr Inneres das aufgibt.
Perfektionismus – darum ging es beim jüngsten Frauenkirchentag, zu dem die Konferenz der Frauenreferentinnen und Gleichstellungsbeauftragten, das Frauenreferat und das Amt für Mission, Ökumene und Weltverantwortung der Evangelischen Kirche von Westfalen sowie die Evangelische Frauenhilfe in Westfalen eingeladen hatten. Überschrift der Veranstaltung: „Hello Mrs. Perfect“.
Etwa 165 Frauen waren der Einladung ins Dortmunder Reinoldinum gefolgt. Frauen, die sich kritisch auseinandersetzen wollten mit den Perfektionsansprüchen, die Gesellschaft und Medien an sie stellen: immer schön, immer aktiv, immer leistungsfähig und dabei immer fröhlich zu sein. „Druck zur Selbstoptimierung“ nennt das Nicole Richter vom Frauenreferat.
Der Frauenkirchentag bot Gelegenheit, das Thema auf vielfältige Weise zu reflektieren: in Workshops, und in einer Bibelarbeit mit der Theologin und Clownin Gisela Matthiae. Dazu gab es, wie Nicole Richter sagt, auch ein bisschen „richtiges Kirchentagsfeeling“, weil mit den Dortmunder „Nicolettas“ erstmals auch ein Chor zu Gast war.
Die Podiumsdiskussion am Schluss des Tages machte die unterschiedlichen Perfektionsansprüche deutlich, denen sich die verschiedenen Generationen von Frauen gegenübergestellt sehen: Während in der Generation der 20-Jährigen (vertreten durch die Studentin Helen Lessing) Normen in Fragen von Ernährung, Kleidung und Schminke oft Druck auf die jungen Frauen ausüben, ist es für die 78-jährige Christel Zander, Erste Vorsitzende der Schwerter Beginenhöfe, eher die Anforderung, beruflich stets alles perfekt zu machen, die ihre Generation geprägt habe. Erst jetzt, im Alter, arbeite sie daran, „es auch mal gut sein zu lassen“.
Für die mittlere Generation von Frauen, die Berufs- und Familienleben miteinander in Einklang bringen müssen, ohne dabei selbst auf der Strecke zu bleiben, saß die Theologin und Psychologin Astrid Gießelmann auf dem Podium. Sie appellierte an die Frauen, sich bei allen Belastungen immer wieder zu fragen, was für sie persönlich gut sei.
Eine positive Bilanz des dritten Frauenkirchentags zog am Ende Nicole Richter: Der Tag sei „super“ gelaufen. Es habe vielerlei Inspirationen gegeben – durch Gespräche und Begegnungen, durch gemeinsames Nachdenken und gemeinsames Erleben.