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Im Überblick: Präventionsgesetz, Schutzkonzept, Fachstelle

Nach Veröffentlichung der ForuM-Studie haben die evangelischen Landeskirchen versichert, die Aufklärung und Prävention von sexuellem Missbrauch voranzutreiben. In Bayern definiert das „Kirchengesetz zur Prävention, Intervention, Hilfe und Aufarbeitung im Hinblick auf sexualisierte Gewalt in der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern“ (kurz: Präventionsgesetz) die nächsten Schritte.

DAS GESETZ: Am 1. Dezember 2020 ist das Präventionsgesetz in Kraft getreten. Es gilt für alle Haupt-, Neben- und Ehrenamtlichen in allen Einrichtungen und Diensten der Landeskirche und der Diakonie. Unter den Begriff der sexualisierten Gewalt fasst das Gesetz Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung sowie Fälle, in denen Macht- und Abhängigkeitsverhältnisse genutzt werden, um sexuelle Bedürfnisse zu befriedigen.

DER INHALT: „Gegenseitigen Respekt und grenzachtende Kommunikation“ erhebt das Präventionsgesetz zum Grundsatz von Kirche und Diakonie. Es verlangt von allen Einrichtungen, dass sie sexualisierter Gewalt vorbeugen und sie verhindern, dass sie Verdachtsfälle aufklären und auf Fälle „angemessen und wirksam“ reagieren, dass sie Betroffenen Hilfe und Unterstützung gewähren, Ursachen aufarbeiten und bei allem besondere Rücksicht auf die Bedürfnisse der Betroffenen nehmen. Zudem verpflichten sich Landeskirche und Diakonie dazu, die Ursachen und Erscheinungsformen von sexualisierter Gewalt „umfassend in systematischer und wissenschaftlicher Weise“ aufzuarbeiten.

DIE FRISTEN: Wie vorgeschrieben, haben Landeskirche und Diakonie im Herbst 2021 ein Rahmenschutzkonzept verabschiedet, das als Grundlage für die Schutzkonzepte von Arbeitsbereichen wie der Jugendarbeit und für Kirchengemeinden und Dekanatsbezirke gilt. Bis 31. Dezember 2025 müssen alle Konzepte fertig sein.

DIE FACHSTELLE: Hilfe bekommen die Einrichtungen von der landeskirchlichen Fachstelle „Aktiv gegen Missbrauch“. Deren Präventionsteam ist mit sieben Personen auf 4,5 Vollzeitstellen besetzt und hat im September 2021 seine Arbeit begonnen. Dazu gehören Basisschulungen zum Thema „Umgang mit sexualisierter Gewalt“, Workshops zur Erarbeitung von Schutzkonzepten, Seminare für ehrenamtliche Präventionsbeauftragte, Online-Sprechstunden und die Bereitstellung von Arbeitsmaterial wie dem „Handbuch Schutzkonzeptentwicklung“.

FERTIGE KONZEPTE: Zwei Kirchengemeinden haben laut Fachstellen-Leiterin Martina Frohmader ihre Schutzkonzepte bereits fertiggestellt: die Thomaskirche Grünwald und die Erlöserkirche Augsburg. Auch das Dekanat Rosenheim hat – als erster Dekanatsbezirk in Bayern – sein Konzept bereits vorgelegt, ebenso das Jugendhaus Neukirchen und das Studienzentrum Josefstal. Bei den Arbeitsbereichen sind der Evangelische Kindertagesstättenverband, die evangelische Schulstiftung Bayern und die Jugendarbeit die Vorreiter. Das Schutzkonzept für den Bereich Kirchenmusik steht Frohmader zufolge kurz vor dem Abschluss. Außerdem sei das Präventionsteam aktuell in 175 Beratungsprozesse eingebunden, zusätzlich hätten einige Kirchengemeinden eigenständig mit der Arbeit begonnen. Bis Ende Juli 2024 rechnet die Fachstelle damit, dass weitere rund 60 Schutzkonzepte von Gemeinden zur abschließenden Prüfung vorliegen.

PERSPEKTIVE: Martina Frohmader betont, dass die Arbeit mit dem Schutzkonzept nicht erledigt ist: „Entscheidend wird sein, dass es nicht nur ein Papier bleibt und in einem Ordner abgeheftet wird.“ Eine zentrale Rolle komme den Präventionsbeauftragten zu: Sie müssten dafür sorgen, dass das Thema in den Einrichtungen und Gemeinden präsent bleibt und in die Praxis umgesetzt wird. Alle fünf Jahren, so die Vorgabe, kommt das Schutzkonzept auf den Prüfstand. (00/0526/15.02.2024)