Die Herren, die sich am 24. Juni 1717 in der Londoner Taverne mit dem eigentümlichen Namen „Goose and Gridiron“ („Gans und Bratrost“) versammelten, dürstete es weniger nach einem süffigen Ale denn nach einem Pakt unter Männern. Vor 300 Jahren besiegelten die Gentlemen in der Kneipe einen Bund, der Geschichte schreiben sollte. Das „Goose and Gridiron“ wurde zum Geburtsort der ersten Großloge der Freimaurer. Dieser Schritt legte den Grundstein für den weltweiten Aufstieg einer Vereinigung, die bis auf den heutigen Tag von Mythen und Geheimnissen umgeben ist – und die manche Vertreter der hohen Geistlichkeit immer noch scheuen wie der Teufel das Weihwasser. Obwohl die Wurzeln der Bewegung im kirchlichen Raum liegen.
Das historische Fundament der einzelnen Logen, wie die lokalen Vereinigungen nach wie vor genannt werden, bildeten die Bauhütten, englisch „lodges“, an den großen Kathedralen des Mittelalters. Dort schufen sich die Steinmetze – hoch spezialisierte Handwerker, die auf ihre Unabhängigkeit vom sonst allgegenwärtigen Zunftzwang pochten – eine eigene Arbeits- und Lebensordnung mit besonderen Ritualen und Zeichen. Daran sollten später die Freimaurer anknüpfen, wie Alexander Giese in seiner Einführung zur Freimaurerei schreibt. Wie es nun dazu kam, dass aus den „Arbeitern am rauen Stein“ ein Zusammenschluss von Dichtern und Denkern, von Adligen und Geistlichen wurde, darüber gibt es nur Vermutungen.
Die überzeugendste laut Giese: Die Freimaurer folgten jenen Sozietäten, die seit Beginn der Neuzeit, „oft anknüpfend an antike Schriftsteller und Philosophen, eine Erneuerung, eine Reformation sowohl des Glaubens als auch der Gesellschaftsordnung anstrebten“. Das machte sie in den Augen der Kirche mindestens suspekt – obwohl sich die Freimaurer Brüderlichkeit, Toleranz und karitatives Wirken auf die Fahnen schrieben. Einen ersten „Baustopp“ versuchte Papst Clemens XII. 1738 mit seiner Bulle „In eminenti“ zu erwirken.
Sie konnte aber nicht verhindern, dass die Freimaurerei Kreise zog. Bereits 1730 hatte die Bewegung in Nordamerika Fuß gefasst. Der nach der Großloge von London nächstälteste Dachverband – Grand Orient de France – nahm 1773 in Frankreich Gestalt an, trennte sich allerdings später von den Brüdern in London. Zu den prominenten Mitgliedern werden gemeinhin gezählt: der Komponist Wolfgang Amadeus Mozart, der Dichter Johann Wolfgang von Goethe, der erste US-Präsident George Washington und Henry Dunant, Gründer des Roten Kreuzes.
Freilich sind diese Angaben mit Vorsicht zu genießen. Ein gewisser Hang zu Geheimniskrämerei gehört zum Wesen der Freimaurerei – auch wenn Mitglieder den Begriff „Geheimbund“ gar nicht gerne hören. Zu oft in der Geschichte wurden Verschwörungstheorien gestreut. Immer noch findet Halbgares rund um die Logen ein dankbares Publikum – was zuletzt etwa Bestseller-Autor Dan Brown in seinem Thriller „Das verlorene Symbol“ zu nutzen wusste.
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„Im Stand der schweren Sünde“
Vor 300 Jahren gründeten die Freimaurer ihren ersten Dachverband. Bis heute gibt es die Logen, in denen sie sich organisieren, auf der ganzen Welt. Wegen der strikten Geheimhaltung ranken sich viele Verschwörungstheorien rund um den Männerpakt
