Der Erlanger Hotelier Benjamin Förtsch ist vor vier Jahren im Internet auf den ersten „Tiny Forrest“ in Deutschland gestoßen. Ein Jahr später begann er, im einstigen Gemüsegarten des Hotels seiner Großmutter den Boden vorzubereiten und erste Baumsetzlinge zu pflanzen. „Damit sind wird bundesweit einer der Ersten, die einen Mikrowald umgesetzt haben“, ist sich der 35-jährige Hotelier in dritter Generation sicher.
Auf der Südseite des Stadthotels ließ er einen alten Pfirsich- und einen Apfelbaum stehen. Dann pflanzte er gut 200 weitere Bäume auf einer Fläche von gerade mal 60 Quadratmetern. Es kamen unter anderem Feldahorn und Buchen dazu, außerdem etwa japanische Eiche, ein Eisenholzbaum oder auch ein amerikanischer Mammutbaum. „Wir zeigen mit unserem Modellprojekt Mikrowald, dass auch auf kleinstem Raum Artenvielfalt und Biodiversität in Innenstadtlage möglich ist.“
Das Besondere an einem „Tiny Forest“: Durch die enge Bepflanzung pro Quadratmeter wachsen die Bäume schneller nach oben Richtung zum Sonnenlicht. In den Mutterboden wurde unter anderem Stroh eingearbeitet, um die Erde luftig zu halten und gleichzeitig besser Feuchtigkeit zu speichern. Das Erdreich ist wiederum mit Hackschnitzel abgedeckt, um auch bei Hitze den Boden feucht zu halten. Außerdem werden so Gras und Wildkräuter in Wuchs behindert, die dem Boden und damit den Bäumen des Mikrowaldes zusätzlich Nährstoffe entziehen würden.
Ausgedacht hat sich das Konzept des Miniwalds der japanische Pflanzenökologe und Professor Akira Miyawaki (1928-2021). Diese Miyawaki-Methode gilt als Schlüssel für den Erhalt des natürlichen Gleichgewichts auf der Erde. Miyawaki selbst soll mit über 1.700 Projekten an der Pflanzung von 40 Millionen Bäumen auf der ganzen Welt beteiligt gewesen sein. Mittlerweile gibt es bundesweit bereits 75 bis 100 „Tiny Forests“. Das schätzt Stefan Scharfe, Vorstandsmitglied des Vereins MIYA forest aus dem brandenburgischen Eberswalde. Er pflanzte 2020 dort nach dieser Idee den ersten deutschen Miniwald.
Zukünftig soll der Erlanger Mikrowald mit seinem grünen Blätterdach die Hotelzimmer auf der Südseite des Gebäudes kühlen und so für ein verbessertes Mikroklima sorgen. Darüber hinaus absorbiert er auch mehr Geräusche. Der biologische Wert liegt in einer doppelt so großen Biodiversität wie ein herkömmlicher Wald. Denn er bietet mehr Lebensraum für Insekten, kleine Säugetiere und Vögel. Außerdem absorbiert ein „Tiny Forest“ ungefähr ein Drittel mehr CO2 aus der Luft als ein „normaler“ Wald. Generell gilt die Daumenregel, dass so ein dichter Kleinwald bereits nach zehn Jahren die Eigenschaften eines 100-jährigen Waldes aufweist.
Für die Hotelgäste ist auch ein kleiner Spaziergang durch den Wald ein „erfahrbarer Mehrwert“, wie Förtsch sagt. Für den Hotelier ist der Tiny Forest eine von 270 kleinen und großen Maßnahmen, die er im Hotel Luise umgesetzt hat. Er verbannte Einwegverpackungen und Plastikmüll vom Frühstückstisch. Dazu gehören auch Solarenergie, Regenwassernutzung, kompostierbare Decken- und Wandverkleidungen aus Stroh oder eine „Astronautendusche“, die dank Filter und Kreislaufsystem mit 10 Liter Trinkwasser beim Duschen auskommt. Für seinen Klimagarten bietet er regelmäßig Führungen an, um über grüne Gestaltungsmöglichkeiten in der Stadt und für Betriebe generell zu informieren.
„’Tiny Forests’ sind auch ein Baustein für nachhaltige Bildung zu klimaresistenten Städten“, unterstreicht der Brandenburger Pionier Scharfe, der den Erlanger Mikrowald noch nicht kennt. „In Bayern ist die Situation der ‘Tiny Forests’ ein bisschen mau“, sagt er. Im Berliner Großraum, in Hamburg oder auch im Westen der Republik sei das Interesse deutlich größer.
Der Verein MIYA Forest setzt auf eine möglichst große Beteiligung von Menschen vor Ort, berichtet Scharfe. Das können Schüler oder Kindergartenkinder sein, aber auch Anwohner, Behörden oder Beschäftigte von Firmen. Sie pflanzen auf kleinen Flächen Bäume und können den „Tiny Forest“ dann als grünes Klassenzimmer oder Reallabor nutzen. So lasse sich einfach die Entwicklung des Ökosystems Wald miterleben und beispielsweise der Zuwachs der Bäume dokumentieren oder Insekten bestimmen. Der Verein erhielt 2022 für sein Bildungsprojekt den Bundespreis „Blauer Kompass“ vom Umweltbundesamt. (00/2544/28.09.2024)