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Höllentour, Aktivismus und ein Oscar

An einem heißen Berliner Sommertag setzt sich ein dunkelhäutiger junger Mann in der Straßenbahn neben eine ältere Dame. Beständig stößt sie rassistische und migrationsfeindliche Tiraden aus, während die anderen Mitfahrenden eher gelangweilt gute Miene zum bösen Spiel machen. Am Ende steht die Frau als Schwarzfahrerin da. Pepe Danquarts Kurzspielfilm „Schwarzfahrer“ aus dem Jahr 1993 wirkt noch heute hochaktuell und machte den Regisseur, der am 1. März 70 Jahre alt wird, international bekannt: Für das in Schwarzweiß realisierte Werk erhielt er den begehrten Oscar für den besten Kurzfilm.

Pepe Danquart gehört zu den Filmemachern, die zwischen Spielfilmen und dokumentarischen Arbeiten wechseln. Besonderes Augenmerk legt er auf den Sport, der eigentlich immer als Domäne des Fernsehens gilt, das ihn aktuell und mitunter häppchengerecht dem Zuschauer serviert. Es zählt zu den großen Verdiensten Danquarts, dass er bewies, dass der Sport nicht nur das Zeug für einen langen Dokumentarfilm hat, sondern auch für das Kino taugt.

Schon seine erste große Sportdokumentation „Heimspiel“ entpuppte sich bei den Berliner Filmfestspielen im Jahr 2000 als Publikumserfolg, ein Film über den Ost-Berliner Eishockey-Club „Eisbären“, der sich als einer der wenigen Ost-Sportclubs überhaupt in der Bundesrepublik durchsetzen konnte. Deshalb spielen die Fans, für die der Club zu so etwas wie einem Hoffnungsanker wurde, eine wichtige Rolle in diesem Film. Mit einer unglaublich schnellen Kamera spürt er dem Puck hinterher und überträgt so auch die Faszination des Spiels auf die Zuschauer.

Kinoqualität hatten auch seine anderen beiden Sportdokumentationen. In „Höllentour“ begleitete Danquart mit seinem Team die 100. Ausgabe der „Tour de France“ im Jahr 2003 und das Team um Erik Zabel. Er dokumentierte den gigantischen Medienaufwand, das Leiden der „Sträflinge der Landstraße“ und zeigte auch die Erschöpften, die beim Rennen aufgeben mussten.

Und in „Am Limit“ porträtierte Danquart die „Huber-Buam“, die Brüder Alexander und Thomas Huber, zwei Extremkletterer, die im Film den Rekord im Speed-Klettern in einer Granitwand des Yosemite Nationalparks einstellen und in Patagonien die drei Gipfel der Cerro-Torre-Gruppe bezwingen wollen. Die Bilder aus luftiger Höhe von „Am Limit“ sind schlicht atemberaubend.

Mit seiner Sport-Trilogie wurde der Regisseur zum Schrittmacher für viele weitere Sportdokumentationen des Kinos, heute ein selbstverständliches Genre. Und ein Pionier war der gebürtige Singener Danquart, der schon in seiner Jugend Super-8-Filme drehte, auch noch in anderer Hinsicht: Er gehörte mit seinem Zwillingsbruder Didi und seiner Frau Mirjam Quinte zu den Gründern der Medienwerkstatt Freiburg, einem Kollektiv, das es sich zur Aufgabe gemacht hatte, mit der neuen Videotechnik in gesellschaftliche Prozesse einzugreifen und Position zu beziehen. Die Medienwerkstatt war eng vernetzt mit den Protestbewegungen der späten 1970er und 1980er Jahre, engagierte sich für die Hausbesetzerszene und Umweltaktivisten.

Den politisch inspirierten Dokumentarfilm hat Danquart – der 2008 eine Professur für Dokumentarfilm in Hamburg erhielt – in seinem Werk immer wieder gepflegt. In „Nach Saison“ (1997) verfolgte er die Friedensmission des EU-Sondergesandten Hans Koschnick, der 1994 nach Mostar kommt, um in der zweigeteilten Stadt zwischen dem kroatisch und muslimisch geprägten Teil zu vermitteln. Und in „Joschka und Herr Fischer“ (2011) unternahm er einen Spaziergang durch das Leben des ehemaligen Sponti und späteren grünen Außenministers. Wobei Spaziergang in diesem Film durchaus wörtlich zu nehmen ist: Joschka Fischer läuft durch eine Monitor-Installation und erzählt aus seinem Leben – man merkt dieser Doku die Nähe Danquarts zu seinem Protagonisten und dessen Geschichte an.

In der Auswahl seiner Spielfilmprojekte zeigte er sich nicht immer treffsicher. Mit der hochkarätig (u.a. Henry Hübchen, Moritz Bleibtreu, Corinna Harfouch) besetzten Klamotte „Basta. Rotwein oder Totsein“ (2004) wilderte er in den Gefilden der deutschen Grobkomödie. Der Plan, den autobiografischen Roman „Rohstoff“ von Jörg Fauser zu verfilmen, scheiterte vor einigen Jahren an der Finanzierung.

Aber mit der Literaturverfilmung „Lauf Junge lauf“ (2013) drehte Danquart einen besonderen Spielfilm: Nach dem gleichnamigen Roman von Uri Orlev und basierend auf der Kindheit von Yoram Fridman erzählt er die Geschichte des jüdischen Jungen Srulik, dem 1942 die Flucht aus dem Warschauer Ghetto gelingt, während seine gesamte Familie deportiert wird. Srulik schaffte es, unter Umständen, die Nazischrecken in Verstecken, Wäldern und mit katholischer Identität zu überleben. „Lauf Junge lauf“ ist Danquarts emotionalster und bester Film