Preetz. Umgeknickte Ecken sind ineinander verhakt, kurze Textstellen fehlen, einige Seiten liegen lose zwischen den Buchdeckeln. Vorsichtig schlägt Abel Koch-Klose den schweren Band auf. Ein Lexikon aus dem 17. Jahrhundert in sieben alten Sprachen, erklärt die zweite Vorsitzende des „Vereins der Freunde der Predigerbibliothek“ und ehrenamtliche Bibliothekarin des Klosters zu Preetz. Einen neuen Einband wird das beeindruckende „Lexicon heptaglotton“ von Edmund Castell mindestens brauchen. Die prächtig kolorierten Seiten aus einem Atlas des berühmten niederländischen Kartografen Blaeu hat Restauratorin Anne-Katrin Haase erst einmal in eine Kassette gelegt. Durch die hohe Luftfeuchtigkeit im Raum haben sich die Tafeln aus den Falzen gelöst. Die feuchten Wände des alten Klostergebäudes sind die größte Gefahr für den wertvollen Bücherbestand.
Fördergelder über 750.000 Euro hat die Bundesregierung für die Restaurierung der Bücher und die Sanierung der Räumlichkeiten zugesagt, um den historischen Kulturschatz des Klosters zu erhalten. Rund 14.500 Titel in 10.500 Bänden füllen 470 Regalmeter im heutigen Konventhaus, dem einzigen erhaltenen Gebäude der klösterlichen Klausur. Der in Preetz geborene Hamburger Pastor Petrus Scheele hatte dem Adeligen Damenstift 1693 seine private Sammlung gestiftet. Seit 1726 hat die Predigerbibliothek ihren Platz im eigens zu diesem Zweck ausgebauten Raum. Ein Kapital von 2000 Reichstalern aus Scheeles Stiftung war zum Ankauf weiterer Bücher bestimmt. Zu theologischen Schriften kamen so bis zur Inflation 1923 geografische und kunstgeschichtliche Werke hinzu.
Wie bei Harry Potter
Weil die für Schleswig-Holstein einmalige Bibliothek als Gesamtheit unter Denkmalschutz steht, können die gefährdeten und schon beschädigten Bände nicht mal eben ausgelagert werden, erklärt Klosterpropst Eckhard Graf von Hahn. Das möchte auch niemand. „Das ganze Ensemble ist einfach phantastisch“, beschreibt Priörin Erika von Bülow das romantische Bild, das sich bietet. Die schweren in Leder oder Pergament gebundenen Bücher, die gotischen Fensterrahmen im warmen Rotton und die Stützpfeiler aus Holz unter der umlaufenden Galerie ließen an einen „Harry-Potter“-Film denken, schwärmt sie. „Es ist ein wunderschöner, magischer Ort, man kommt einfach in eine andere Welt.“
Nach der Hilfszusage vom Bund muss der Klostervorstand jetzt entscheiden, wofür er die Summe einsetzen wird, Kostenvoranschläge einholen und Anträge stellen. „Das Geld werden wir nicht auf einmal bekommen“, erklärt Graf von Hahn. Klar ist aber, dass ein bücherfreundliches Raumklima an erster Stelle steht. „Wir brauchen trockene Wände und müssen herausfinden, wo die Feuchtigkeit herkommt und welches Klimatisierungssystem geeignet ist, um die Temperatur konstant zu halten“, so von Bülow.
30 Stunden Reinigung pro Buch
Im Moment holt die Priörin täglich fast 10 Liter Wasser aus den zwei Kanistern im Lufttrockner. 87 Prozent relative Luftfeuchtigkeit sind definitiv zu viel, sagt Buchrestauratorin Anne-Kathrin Haase. Die Expertin begutachtet die Schäden zunächst und wägt ab, ob es sich lohnt, ein Buch wiederherzustellen. Einen Schulatlas aus dem 18. Jahrhundert mit Wasserschaden und Mäusefraß wird sie trocken reinigen, um die farbigen Karten zu schonen. Die vom Einband abgerissenen Tafeln kommen geglättet zur Aufbewahrung in eine Kassette. Über die Kosten möchte Anne-Kathrin Haase im Moment nicht spekulieren. Doch bis zu 30 Stunden wird sie wohl bei vielen der leidenden Bücher rechnen müssen.