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Hessischer Landtag veröffentlicht Hanau-Abschlussbericht

Der Hessische Landtag hat am Donnerstag den mehr als 640 Seiten umfassenden Abschlussbericht seines Hanau-Untersuchungsausschusses in Wiesbaden veröffentlicht. Im gemeinsamen Vorwort bitten die Fraktionen von CDU, SPD, Grüne und FDP die Überlebenden des Anschlags vom 19. Februar 2020 und die Angehörigen der neun aus fremdenfeindlichen Motiven Ermordeten um Entschuldigung, „weil es den staatlichen und kommunalen Behörden nicht gelungen ist, sie davor zu schützen, Opfer eines rassistischen Anschlags zu werden.“

Weiter heißt es: „An einigen Stellen besteht Grund zu der Annahme, dass ein anderes Handeln der zuständigen Behörden, das Durchführen der Tat erschwert oder den Ablauf der Tat bzw. die Ereignisse in der Tatnacht und danach verändert hätte.“ Dies gelte für die Erteilung der Waffenbesitzkarte, die Erreichbarkeit des Notrufs, den Umgang mit den Angehörigen der Opfer und den laut Untersuchungsausschuss verschlossenen Notausgang der „Arena Bar“.

Am 19. Februar 2020 hatte der damals 43 Jahre alte Deutsche Tobias R. in Hanau aus rassistischen Motiven neun Menschen erschossen und zahlreiche weitere verletzt. Anschließend erschoss er auch seine Mutter und nahm sich selbst das Leben.

Weiter stellte der Untersuchungsausschuss fest, „dass die hessischen Sicherheitsbehörden objektiv keine Möglichkeit hatten“, die vom Täter ausgehende Gefahr frühzeitig mit zur Verfügung stehenden rechtsstaatlichen Mitteln zu erkennen. Die Tat habe nicht verhindert werden können. Zugleich hätten aber etwa bei der Überprüfung der Waffenerlaubnis Mängel vorgelegen. „Weiter wurde die Stadt Hanau ihren Verpflichtungen zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger bei den Kontrollen der Arena Bar und des dortigen Notausgangs nicht gerecht.“

Der Untersuchungsausschuss stellte ebenfalls fest, dass der Notruf der Polizeistation Hanau nicht dem technischen Standard anderer Dienststellen entsprach. Es sei möglich, dass Notrufe wegen eines nicht vorhandenen Notrufüberlaufs nicht entgegengenommen werden konnten.

Eines der Mordopfer, Vili Viorel Paun, verfolgte den Attentäter in der Tatnacht und versuchte erfolglos, die Polizei zu informieren und den Attentäter zu stoppen. Dieser erschoss ihn am zweiten Tatort. Sofern Paun rechtzeitig einen Notrufdisponenten erreicht und ihm direkt alle notwendigen Informationen mitgeteilt hätte, sei davon auszugehen, „dass ihm geraten worden wäre, von der weiteren Verfolgung abzusehen.“ Ein Einwirken auf Paun wäre laut Abschlussbericht so möglich gewesen.

Ob die Dauer des Telefonats ausgereicht hätte, um den Ablauf des Geschehens zu beeinflussen, sei aber nicht festzustellen, da zwischen Pauns erstem Anrufversuch und den tödlichen Schüssen „maximal zwei bis drei Minuten lagen“.

Bis zuletzt hatten die Fraktionen über Inhalte und Formulierungen des Berichts gerungen. Dem Dokument hängen von SPD, AfD, FDP und Linke jeweils eigene abweichende Berichte an.