Der als grausam und dekadent verrufene Nero war der erste römische Kaiser, der Christen verfolgen und hinrichten ließ. Der christliche Schriftsteller Tertullian (nach 150 bis nach 220) gewinnt dem eine tröstliche Seite ab: „Dass ein solcher Mensch mit unserer Verdammung den Anfang machte, ist sogar ein Ruhm für uns. Denn wer ihn kennt, wird zu ermessen imstande sein, dass das, was ein Nero verdammt hat, gewiss nur ein sehr großes Gut sein konnte.“
Korrektur des negativ verzerrten Nero-Bildes
Aber was wissen wir wirklich über Nero? Für Aufklärung sorgt das vor über 2000 Jahren von Neros Ururgroßvater Augustus gegründete Trier. Es ist die erste Stadt überhaupt, die Nero einer Ausstellung für würdig befindet. Sie umfasst 700 Objekte an drei Schauplätzen und ist bis zum 16. Oktober zu sehen.
Das Rheinische Landesmuseum widmet sich dem Aufstieg und Fall des Kaisers (37 bis 68), der mit 16 Jahren die Herrschaft im römischen Reich antrat. Die Historiker Sueton (um 70 bis 121), Tacitus (um 56 bis 120) und Cassius Dio (um 164 bis nach 229) sind die wichtigsten Gewährsmänner über seine Regentschaft.
Doch Marcus Reuter, Initiator der Schau und Direktor des Landesmuseums, gibt zu bedenken: „Ihre Berichte stellen eine zum Teil stark ins Negative verzerrte Sichtweise dar.“ Immerhin bescheinigte Tacitus dem Kaiser fünf goldene Regierungsjahre.
Neros Abstieg begann, nachdem er anno 59 seine Mutter Agrippina umbringen ließ. Sein Verhältnis zur Senatorenschaft Roms verschlechterte sich mehr und mehr. Sie hassten ihn, weil er unliebsame Senatoren ermorden ließ. Und sie verachteten ihn, weil er mehr und mehr seinen musischen Neigungen auf Kosten der Wahrnehmung der Regierungsgeschäfte freien Lauf ließ. Seine öffentlichen Bühnenauftritte als Musiker und Schauspieler verurteilten sie als unwürdiges Spektakel.
Dem Schöngeist wurde die Vernachlässigung des Militärs schließlich zum Verhängnis. Soldaten riefen anno 68 Galba zum neuen Kaiser aus. Der Senat erklärte Nero zum Staatsfeind. Am 9. Juni 68 beging Nero Selbstmord. Angeblich waren seine letzten Worte: „Welch ein Künstler geht mit mir zugrunde!“
Neros Nachleben in Literatur, Film, Oper und Malerei vom Mittelalter bis heute widmet sich die Schau im Stadtmuseum. Als hauptsächliche Inspirationsquellen erweisen sich die dem Kaiser nachgesagte Prunksucht, Dekadenz und Grausamkeit. Insbesondere „Quo vadis?“ hat als Monumentalfilm von 1951 mit Peter Ustinov in der Hauptrolle des geistig verwirrten Nero unser verzerrtes Vorstellungsbild des Kaisers nachhaltig geprägt.
Christsein unter Nero kein strafbarer Tatbestand
Das Museum am Dom präsentiert „Nero und die Christen“. Tacitus bringt die von Nero veranlasste Christenverfolgung in Zusammenhang mit dem Brand Roms anno 64. Der römische Historiker – wie auch die heutigen Wissenschaftler – zeigt sich davon überzeugt, dass der Kaiser keine Schuld an der Feuersbrunst trug. Aber die Öffentlichkeit habe ihn der Brandstiftung verdächtigt: „Um diesem Gerede ein Ende zu machen, schob Nero daher andere als Schuldige vor und verhängte über sie raffinierte Strafen. Es waren Leute, die wegen ihrer Schandtaten verhasst waren und vom Volk ‚Chrestianer‘ genannt wurden.“ Laut Tacitus kamen sie grausam zu Tode: In Tierfelle eingenäht von Hunden zerrissen oder ans Kreuz geschlagen zur nächtlichen Beleuchtung verbrannt.
Aber warum waren die Christen bei den Römern verhasst? Weil sie sich weigerten, am Kaiserkult teilzunehmen. Museumsdirektor Markus Groß-Morgen erläutert: „Seit Augustus galt der Kaiser als Mittler und Garant für das Staatswohl. Deshalbe konnte es niemandem gestattet werden, das Opfer für den Kaiser zu verweigern.“
Märtyrerkult und Reliquienfrömmigkeit
Michael Fiedrowicz schreibt im Begleitband der Schau, dass das Christsein als solches jedoch unter Nero keineswegs ein strafbarer Tatbestand war. Das wurde es erst unter Trajan, der 98 bis 117 herrschte. Unter Kaiser Decius kam es dann anno 250 zur ersten allgemeinen Christenverfolgung.
Aus dieser Zeit ist eine ägyptische Opferbescheinigung auf Papyrus zu sehen. Es gab Christen, die sich zu ihrer Sicherheit solche Opferbescheinigungen kauften.
Wie verachtet die Christen waren, veranschaulicht die älteste bekannte Kreuzigungsdarstellung. Bei diesem in Rom gefundenen Spottkruzifix (2./3. Jahrhundert) handelt es sich um eine Ritzzeichnung in Kalkputz. Sie zeigt Jesus am Kreuz, ausgestattet mit dem Kopf eines verachteten Tieres: eines Esels. Hinzugesetzt ist die Inschrift: „Alexamenos verehrt seinen Gott.“
Mitte des 2. Jahrhunderts kam für Christen, die ihren Glauben mit dem Tod bezeugten, die Bezeichnung „Märtyrer“ auf. Der erste Märtyrer war Christus, die anderen stehen in seiner Nachfolge. In den ersten vier Jahrhunderten gab es etwa 4000 bis maximal 6000 Märtyrer. Die Intensivierung ihrer Verehrung setzte im 4. Jahrhundert ein. Die Märtyrer wurden um Fürbitte vor Gott gebeten und Verstorbene ihrem Beistand anvertraut.
Parallel entwickelte sich die Reliquienfrömmigkeit, wie die Schau mit dem „Petrusstab“ (4. Jahrhundert) belegt, einer Leihgabe aus dem Limburger Diözesanmuseum. Die weit über 1000 Jahre lang kritiklos geübte Praxis der Heiligen- und Reliquienverehrung wurde erst von den Reformatoren stark angegriffen.
Nero sollen knapp 800 Christen zum Opfer gefallen sein. Im 96 verfassten „ersten Clemensbrief“ wird berichtet, unter Nero hätten auch Petrus und Paulus „Verfolgung und Kampf bis zum Tode getragen“.
In seiner „Kirchengeschichte“ bezeichnet der 313 zum Bischof von Caesarea gewählte Eusebius das um des Glaubens willen erlittene Martyrium als Ehre und führt mit Blick auf Nero aus: „Da er sich unter den schlimmsten Gottesfeinden besonders hervortun wollte, ließ er sich dazu verleiten, die Apostel hinzurichten. Wie berichtet wird, wurde Paulus eben in Rom unter Nero enthauptet und Petrus gekreuzigt.“
So gesehen kann es nur eine tragische Verwechslung sein, dass ein antiker Kameo mit dem Profilbildnis Neros in Zweitverwendung zum kostbaren Schmuck des Mindener Stiftskreuzes (Minden, 16. Jahrhundert) erhoben wurde.