Die Freie Universität Berlin zieht Konsequenzen: Sie erteilt dem mutmaßlichen Angreifer auf einen jüdischen Studenten Hausverbot. Doch gelöst ist der Konflikt damit keinesfalls.
Die Freie Universität (FU) Berlin hat nach dem mutmaßlich antisemitisch motivierten Angriff auf einen jüdischen Studenten gegen den Tatverdächtigen ein Hausverbot erlassen. Sie traf die Entscheidung am Freitag.
Das Hausverbot gilt laut Mitteilung der Hochschule für drei Monate auf dem gesamten Campus und kann verlängert werden. Online-Lehrformate sind von der Entscheidung demnach nicht berührt. Nach der Tat in Berlin-Mitte hatten Polizei und Staatsschutz Ermittlungen gegen den mutmaßlichen Täter aufgenommen.
Der Präsident der Freien Universität, Günter M. Ziegler, hatte im Namen der Hochschule das Entsetzen über den Angriff erklärt und ihn auf das Schärfste verurteilt.
Ziegler erklärte am Freitag, angesichts der Tat würde der Verdächtige auf dem Campus als Bedrohung wahrgenommen. “Zum Schutz der Mitglieder der Universität und zur Sicherung des Universitätsfriedens ist das jetzt ausgesprochene Hausverbot für zunächst drei Monate unabdingbar.” Eine Universität sei ein Ort des Austauschs von Argumenten: “Wir sind ein Ort der offenen und demokratischen Diskussionskultur. Dies gilt auch in konfliktreichen Situationen.”
Vergangenes Wochenende war ein jüdischer Student mit Knochenbrüchen im Gesicht ins Krankenhaus eingeliefert worden. Ein propalästinensischer Kommilitone soll ihn auf einer Straße in Berlin-Mitte geschlagen und getreten haben. Die Staatsanwaltschaft geht von einem gezielten Angriff und einem antisemitischen Hintergrund aus.
Unterdessen berichtete die “Mitteldeutsche Zeitung” (Samstag), dass die Mutter des Angegriffenen schwere Vorwürfe gegen Ziegler erhoben hat. “An der FU Berlin herrscht eine Atmosphäre, in der sich antisemitische Studentinnen und Studenten in ihrem Handeln durch fehlendes oder nur zögerliches Einschreiten der Universitätsleitung bestärkt fühlen”, klagt sie laut Bericht in einem Schreiben an den Zentralrat der Juden in Deutschland. Der Text liegt der Zeitung vor.
Seit Monaten gebe es antisemitische Aktionen an der FU. “Deren Duldung durch das FU-Präsidium und seinem Präsidenten Ziegler sind unerträglich.” Die Mutter erklärt: “Es war der Nährboden, aus dem sich der Angriff entwickelt hat.” Juden würden an der Universität nicht beschützt, ihre Ausgrenzung nicht geahndet. Ziegler warf sie “Überforderung” vor. Der Präsident und die Berliner Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra (SPD) stünden exemplarisch für deutsches “Systemversagen” im Kampf gegen Antisemitismus.
Unterdessen kritisierte der Präsident der Berliner Universität der Künste (UdK), Norbert Palz, eine starke Polarisierung an seiner Hochschule. Es gebe auch ein Demokratieproblem, zitiert ihn der “Tagesspiegel”: Einige Studierende, aber auch manche Lehrende seien nicht mehr kompromissfähig. Es gebe allerdings auch, wie ein jetzt veröffentlichtes Statement zeige, viele, die differenzierter seien und sich gegen Antisemitismus positionierten. Dutzende Lehrende hatten sich in dem Statement gegen Antisemitismus an der UdK gestellt und Versammlungen von Studierenden im November 2023 als “gewaltvolle antisemitische Proteste und Aktionen” kritisiert.
Der Präsident berichtete, er habe eine Whatsapp-Gruppe mit jüdischen und israelischen Studierenden, um auf dem Laufenden zu bleiben und für sie erreichbar zu sein. Sie seien “sehr, sehr verschreckt”. Er wisse von einer jüdischen Person, die außerhalb des Campus angespuckt worden sei, eine jüdische Studierende überlege, die Uni zu wechseln. Denen wolle er zeigen: “Wir halten eine schützende Hand über euch.”