UK 8/2019, Bibellese (Seite 3)
Da sind sie wieder, die „Christen“ im Neuen Testament. Die Autorin der Rubrik „Die Bibel lesen“ hat sie gesehen, und zwar ausgerechnet bei der Auslegung von Römer 9-11. Das alles kommt daher, dass dies Problem aus dem großen anti-jüdischen Traditionsstrom kommt, in dem wir alle miteinander stehen, den wir aber nicht bemerken und der uns deshalb blind macht.
Worum geht es? Die Autorin bespricht den Brief des – an den Messias Jesus gläubigen – Juden und Pharisäers Schaul von Tarsus (Anmerkung der Redaktion: Die Luther-Bibel 2017 nennt ihn Saulus/Paulus) an die Jesus-Synagogen in Rom. In Römer 9-11 thematisiert Schaul die ihn bedrängenden Fragen: Warum glauben nur so wenige der zeitgenössischen Juden an Jesus als Messias? Was hat es zu bedeuten, dass immer mehr Heiden (Römer, Griechen, Ägypter etc.) zum Glauben an „unseren“ jüdischen Messias Jesus kommen?
Die Autorin jedoch findet in Römer 9-11 das Thema „Juden und Christen“ besprochen. Das ist grundfalsch. Auf beiden Seiten, die Schaul bespricht, geht es ja um Juden: 1. Juden, die nicht an den Messias Jesus glauben, und 2. Juden, die an den Messias Jesus glauben. Am Rande geht es dann auch noch 3. um die Heiden-Christen, die durch den Glauben an den Messias Jesus zum jüdischen Glauben in Gestalt einer messianischen Form dazukommen.
Wer hier „Juden und Christen“ sieht, der beraubt den Juden und Pharisäer Schaul von Tarsus und die vielen anderen an Jesus gläubigen Juden ihres Jude-Seins. Schaul „stammt“ dann nur noch „aus“ dem Judentum (UK 7/2019, Bibellese, Seite 3). Es heißt dort eben nicht: Er „gehört“ zum Judentum. Der große anti-jüdische Traditionsstrom spricht mit und sagt: Paulus ist „Christ“ geworden. Das ist hier wohl auch gemeint, ohne dass dies bewusst ist. Wenn aber „Christ“ etwas anderes ist als „Jude“, dann ist Schaul von der Logik her Heiden-Christ geworden. Das ist der Kern des Problems. Die Autorin verlängert, ohne dass sie es merkt und will, die Wirkungsgeschichte des anti-jüdischen Traditionsstromes.
Summa: Im Neuen Testament ist nur von vier Menschengruppen die Rede. 1. Juden, die nicht an Jesus als Messias glauben. 2. Juden, die an Jesus als Messias glauben. 3. Heiden, die an Jesus als Messias glauben. 4. Heiden, die nicht an Jesus als Messias glauben.
Wenn wir im Neuen Testament eine Gruppe benennen wollen, müssen wir genau hinsehen und sagen: 1 oder 2 oder 3 oder 4. Der Begriff „Christ“ ist immer falsch, weil anachronistisch. Und er beraubt immer die an Jesus gläubigen Juden ihres Jude-Seins.
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