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Gott ist auf der Seite der Opfer

Gedanken zum Predigttext am Sonntag Palmarum. Von Ulrich Kastner, Pfarrer der Evanglischen Kirchengemeinde Bohnsdorf-Grünau.

Predigttext für den Sonntag Palmarum: Philipper 2,5–115 Seid so unter euch gesinnt, wie es auch der Gemeinschaft in Christus entspricht. 6 Er, der in göttlicher Gestalt war, hielt es nicht für einen Raub, Gott gleich zu sein, 7 sondern entäußerte sich selbst und nahm Knechtsgestalt an, ward den Menschen gleich und der Erscheinung nach als Mensch erkannt. 8 Er erniedrigte sich selbst und ward gehorsam bis zum Tode, ja zum Tode am Kreuz. 9 Darum hat ihn auch Gott erhöht und hat ihm den Namen gegeben, der über alle Namen ist, 10 dass in dem Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind, 11 und alle Zungen bekennen sollen, dass Jesus Christus der Herr ist, zur Ehre Gottes, des Vaters.

Von Ulrich Kastner

Der Apostel schreibt an die Gemeinde in Philippi – die erste, die er in Europa gegründet hat. Philippi war eine aufstrebende römische Stadt, in der die jüdischen Einwohner eine Minderheit bildeten. Der Apostel hatte dort Feindseligkeiten erlebt. Die Gemeinde bestand größtenteils aus Heidenchristen.In dieser ohnehin nicht gerade einfachen äußeren Situation kam es zu Spannungen innerhalb der jungen Gemeinde. Denn der Apostel appelliert an die Gemeinschaft, die Christus entspricht. Mehr noch, er weist auf die richtige Gesinnung hin. Und die ermöglicht, in einer Gemeinschaft zu leben, wie es Christus gemäß ist. Das Kriterium für das richtige Zusammenleben und den Umgang in der Gemeinde ist Christus selbst.Wie war nun Christus, den Paulus der Gemeinde als ein Vorbild ihrer Gemeinschaft darstellt? Dafür greift er in seinem Schreiben auf einen bekannten Hymnus zurück, der in einzelnen Aussagen und Begriffen den alttestamentlichen Propheten Jesaja zitiert, die Struktur erinnert an die Psalmen. Dass er die Gemeinde der Philipper wieder einen will, geht auch aus dem Inhalt des Hymnus hervor: Christus wird als der geschildert, der im Auftrag Gottes seine Erhabenheit ablegt und statt dessen ein sterblicher und leidender Mensch wird. Seine Hoheit behandelte Christus nicht wie einen Besitz, den er eifersüchtig bewachte und verteidigte, oder wie ein Amt, das ihm verliehen wurde und das er nach Kräften ausnutzt – anders als vielleicht manche in der Gemeinde.Der Gehorsam bis zum Tod am Kreuz ist wohl weniger der ausdrücklicher Wille Gottes, sondern vielmehr die unvermeidbare Folge aus dem einmal eingeschlagenen Weg Gottes in die Welt. Die Welt ist tödlich – selbst für den, der ihr das Leben bringt. Wer die Umstände ändern will, bekommt den Widerstand derer zu spüren, die von den Umständen profitieren.

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