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Gewalteskalation in Syrien – Proteste gegen Massaker an Alawiten

In Syrien scheint die Lage unübersichtlich, doch offenbar kommt es seit Tagen zu schwersten Verbrechen gegen Alawiten. Sie bildeten einst die Machtbasis der Assad-Diktatur. Kirchenführer fordern ein Ende der Gewalt.

Die Berichte über Gräueltaten an der alawitischen Minderheit in Syrien durch Islamisten reißen nicht ab. In der Küstenregion von Latakia und Tartus seien Massaker an der Zivilbevölkerung weiter im Gange und bisher mindestens 865 Menschen von Dschihadisten getötet worden, sagten örtliche Informanten der Wiener Presseagentur Kathpress (Sonntag). Unter den Opfern befinden sich demnach auch viele Frauen, Kinder und alte Menschen. Die tatsächliche Zahl der Getöteten dürfte den Berichten zufolge sogar noch wesentlich höher liegen. Vielfach komme es auch zu Plünderungen und Diebstählen.

Bei den Tätern soll es sich vor allem um ausländische Dschihadisten aus den Reihen der sunnitischen Miliz Haiat Tahrir al-Scham (HTS) handeln. Deren Kämpfer hatten im Dezember den syrischen Diktator Baschar al-Assad vertrieben und die Macht übernommen. Assad und ein Großteil der gestürzten Herrschaftselite entstammen der religiösen Minderheit der Alawiten, einer Sekte mit Bezügen zum schiitischen Islam.

In Syrien kam es laut internationalen Medien seit Donnerstag zunächst zu schweren Kämpfen von Verbänden der syrischen Übergangsregierung unter Führung der HTS und Assad-Anhängern, vor allem Alawiten. Wie das Verteidigungsministerium in Damaskus am Freitag mitteilte, wurden zusätzliche Kräfte in die syrische Küstenregion um Latakia und Tartus geschickt. Der Einsatz ziele auf “die Überreste von Assads Milizen und ihre Unterstützer”, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Sana.

Die syrischen Kirchenführer verurteilten am Samstag in einer Erklärung die Massenmorde auf das Schärfste und forderten zu einem Ende der Gewalt auf. Das Leiden des syrischen Volkes müsse endlich ein Ende haben, hieß es. Unterzeichnet ist die Erklärung vom griechisch-orthodoxen Patriarchen Johannes X., dem syrisch-orthodoxen Patriarchen Aphrem II. und dem melkitischen Patriarchen Youssif Absi.

Manuel Baghdi, Nahostberater des Wiener Kardinals Christoph Schönborn, bestätigte am Samstagabend gegenüber Kathpress die hohen Opferzahlen und sprach zugleich von großen Ängsten unter den Minderheiten im Land. Christen und Drusen lebten in der Angst, “dass sie als Nächste an der Reihe sind”. Laut Berichten wurden bisher zwei armenische Christen ermordet.

Die christliche Menschenrechtsorganisation Christian Solidarity International (CSI) fordert internationalen Druck auf die Führung in Damaskus. Die Kämpfer der islamistischen HTS-Miliz verübten in Städten und Dörfern der Alawiten an der Mittelmeerküste Verbrechen gegen die Menschlichkeit und müssten zur Rechenschaft gezogen werden, hieß es am Samstag von CSI. Die Organisation zitiert aus dem Bericht eines nicht näher benannten christlichen Beobachters in der Stadt Tartus, der von mehr als 4.000 Toten spricht, darunter Frauen und Kinder. Auch Christen seien unter den Opfern.