Die Situation von Frauen hat sich nach den Worten der Autorin Susanne Kaiser trotz wachsender Präsenz in Gesellschaft und Führungspositionen in den vergangenen Jahren verschlechtert. „Mehr Gleichberechtigung führt auch zu mehr Gewalt gegen Frauen“, sagte die Journalistin und Politikberaterin am Montag in Mülheim an der Ruhr. Bei der Fachtagung „(Neue) Gewalt gegen Frauen“ der Katholischen Akademie Die Wolfsburg sprach sie von einem „feministischen Paradoxon“. In der öffentlichen Diskussion gebe es zwar einen „Konsens der Gleichberechtigung“, in der Realität dagegen sei weltweit ein „Backlash“, also ein Rückschlag oder eine Gegenbewegung, zu beobachten.
Als einen Grund für den „Backlash“ bezeichnete Kaiser den Wandel der klassischen männlichen Dominanz und Privilegien sowie den damit einhergehenden gefühlten Kontrollverlust. „Dieses Vakuum wird mit Gewalt gefüllt“, erläuterte sie.
Das Internet mit Plattformen wie TikTok oder Instagram spielten dabei über Hassrede, Stalking oder auch Spyware-Apps auf Handys eine wichtige Rolle. Etwa bei der Radikalisierung junger Männer der Generation Z oder bei der gezielten Einschüchterung von prominenten Frauen. Politikerinnen wie etwa Annalena Baerbock und Ricarda Lang (beide Grüne) oder die Fußballkommentatorin Claudia Neumann seien von dieser neuen Form von Gewalt im Netz betroffen. In anderen Fällen würden Vergewaltigungen gefilmt und auf Pornoseiten im Netz hochgeladen. „Diese Form von Gewalt nimmt zu und ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen“, kritisierte Kaiser. Zumeist blieben die Taten ohne rechtliche Konsequenzen.
Kaiser forderte, gewalttätige Übergriffe im Internet konsequent zu verfolgen. Es dürfe keine Straffreiheit für Gewalt in den Medien geben. Viele Frauen würden sich nicht mehr politisch äußern oder seien nur noch im Beauty-Bereich im Netz aktiv. „Das ist eine politische Form der Gewalt und ein Angriff auf die Demokratie“, unterstrich die Journalistin. Allerdings interpretierte sie den „Backlash“ auch als Zeichen des Erfolgs: „Der Feminismus hat viel erreicht, wir müssen weitermachen.“ Dazu brauche es unter anderem mehr politische Unterstützung, Frauenquoten und Förderung, Medienkompetenz als reguläres Schulfach, mehr Ressourcen für Frauenhäuser und männliche Verbündete.
Nach im Juli dieses Jahres veröffentlichten Zahlen des Bundeskriminalamts gab es 2022 insgesamt 157.550 Fälle von Gewalt in Partnerschaften in Deutschland mit 157.818 Opfern. Im Vergleich zu 2021 bedeutete das in beiden Kategorien einen Zuwachs um mehr als neun Prozent. Mit einem Anteil von 80,1 Prozent sind Frauen die häufigsten Opfer von Gewalt in Partnerschaften.