Über den Ausgang des “Compact”-Verfahrens war viel spekuliert worden. Nun steht fest: Das Team kann weitermachen. Eine richtige Entscheidung, findet ein Verfassungsrechtler. Doch für Medienhäuser bleiben Unsicherheiten.
Es war eine wegweisende Entscheidung, die das Bundesverwaltungsgericht am Dienstag in Leipzig verkündet hat: Das Verbot des rechtsextremen Magazins “Compact” ist gekippt. Nachdem die zweitägige Hauptverhandlung vor zwei Wochen zu Ende gegangen war, ist viel darüber spekuliert worden, wie das Urteil wohl ausfallen könnte. Nun steht fest: Das Magazin und die Online-Angebote dürfen weiter erscheinen.
Im Sommer vergangenen Jahres hatte die damalige Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) die Unternehmen, die hinter dem rechtsextremen Magazin stehen, nach dem Vereinsrecht verboten. Dem Medium war vorgeworfen worden, sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung zu richten und ein völkisch-nationalistisches Gesellschaftskonzept zu vertreten. Die Verantwortlichen bei “Compact” hatten dagegen geklagt.
Nun dürfen die Verantwortlichen weiter machen. Das Gericht begründete seine Entscheidung in einer Pressemitteilung am Dienstag damit, dass die Beiträge des Mediums, die sich gegen Grundgesetz und Menschenwürde richten und für ein Verbot sprechen, nicht prägend für das gesamte Medium seien: “Das Grundgesetz garantiert jedoch im Vertrauen auf die Kraft der freien gesellschaftlichen Auseinandersetzung selbst den Feinden der Freiheit die Meinungs- und Pressefreiheit”, so das Gericht in einer Pressemitteilung.
Eine Begründung, die dem Juristen David Werdermann Bauchschmerzen bereitet. Werdermann ist Rechtsanwalt und Experte für Verfassungsrecht. Er hat sich in der Vergangenheit viel mit dem Instrument des Vereinsverbots im Bereich Journalismus beschäftigt.
Das Vereinsrecht sei eigentlich nicht dafür gemacht worden, Presseorganisationen zu verbieten, erklärt Werdermann. Presse sei Ländersache, und dort gebe es Instrumente, die auf Medien zugeschnitten sind, so der Jurist. “Diese Gesetze kennen das Instrument des Komplettverbots nicht. Dass man ein Presseunternehmen über das Vereinsverbot verbietet, ist ein juristischer Trick”.
Ein Trick, bei dem das Bundesverwaltungsgericht aber gar keine grundsätzliche Bedenken anmeldete. Das Vereinsrecht sei auch für Presseunternehmen anwendbar, stellten die Richter nicht zum ersten Mal fest. Werdermann war von der Entscheidung deshalb auch nicht überrascht. Jedoch: “Das Urteil öffnet das Tor für das Verbot von Presseorganisationen doch recht weit”, gibt er zu bedenken. Zwar habe das Gericht versucht, das an der einen oder anderen Stelle wieder einzugrenzen, aber letztlich bestehe diese Möglichkeit. “Die Abwägung zwischen verfassungsfeindlichen Äußerungen und denen, die sich laut Gericht noch im Rahmen der Meinungsfreiheit bewegen, kann so oder so ausfallen, und das halte ich für problematisch”, kritisiert Werdermann.
Zwar seien die Beiträge von “Compact” abscheulich und oft auch verfassungsfeindlich, betont der Rechtsanwalt. Strafbar seien sie aber nur zu einem kleinen Anteil. “Hier hat sich die Frage gestellt, ob man ein komplettes Medium verbieten kann, statt gegen einzelne strafbare Beiträge vorzugehen”, erklärt er.
Strafbare Äußerungen finden sich bei “Compact” vor allem in Beiträgen rund um das Thema Migration. In seiner Pressemitteilung stellt das Gericht ganz klar fest, dass das sogenannte Remigrationskonzept, das auf den österreichischen Rechtsextremen Martin Sellner zurückgeht und eine Unterscheidung zwischen deutschen Staatsangehörigen mit und ohne Migrationshintergrund vorsieht, gegen die Menschenwürde verstößt. Dem Konzept und Sellner selbst sei in den Angeboten von “Compact” seit Jahren ohne jegliche Distanzierung breiter Raum eingeräumt worden, so die Richter.
Auch wenn die Zustimmung zur sogenannten Remigration im Einzelfall nicht unbedingt strafbar sei, könne sie ein Vereinsverbot rechtfertigen, da dieses als “Instrument des präventiven Verfassungsschutzes” gedacht sei und nicht erst greife, wenn strafbare Inhalte verbreitet werden. Die Äußerungen sah das Gericht aber nicht als prägend für das gesamte Medienangebot von “Compact” an.
Rechtsanwalt Werdermann kritisiert das Gericht aber für die schwammige Auslegung des Begriffs “Prägung”. Wann die Verfassungsfeindlichkeit prägend ist, sei nirgendwo rechtlich eindeutig festgehalten. “Das räumt den Verbotsbehörden und den Gerichten sehr viel Spielraum ein, die eine Äußerung stärker zu gewichten als die andere und die Prägung so zu bejahen oder zu verneinen.”
Das Innenministerium hatte das Verbot nicht nur mit den publizistischen Inhalten begründet, sondern auch mit der Rolle, die das Magazin in den eng vernetzten Strukturen der Neuen Rechten spielen soll. Deshalb war das Verbot nicht einfach nur gegen ein Medium ausgesprochen worden, sondern gegen ein Unternehmen, das mit Medienarbeit, aber auch mit Veranstaltungen und Kampagnen anderen extremistischen Akteuren die Zusammenarbeit erleichtern soll.
Auch das Gericht stellte nun heraus, dass es sich bei “Compact” nicht um ein reines Medienunternehmen handelt. “Das ist interessant”, betont Werdermann. “Das mildert die Gefahren für andere Medien vielleicht ein bisschen ab, die zukünftig von einem Vereinsverbot betroffen sein könnten.” Insgesamt habe sich das Innenministerium hier aber offenbar verschätzt, so der Jurist: “Das Verbot war schon zu einem überwiegenden Teil auf Publikationen gestützt. Sie haben offenbar gedacht, dass das Bundesverwaltungsgericht diese Abwägung anders vornehmen würde.”
Das Urteil gilt vielen Beobachtern als Schlappe für das Bundesinnenministerium, das aber in der Zwischenzeit mit dem CSU-Politiker Alexander Dobrindt eine neue Führung bekommen hat. Der Herausgeber von “Compact”, der Rechtsextremist Jürgen Elsässer, zeigte sich erfreut über den Ausgang: “Wir sind das Sturmgeschütz der Demokratie.” Das “Compact”-Magazin und all seine Online-Angebote können weiter erscheinen.