Es kann jeden treffen. Das ist die Angst, die sich jetzt in die Knochen schleicht. Bei den jüngsten Anschlägen vermischen sich die Kategorien. Terror oder Amoklauf, politisch, ideologisch oder psychopathologisch Verwirrte, Anhänger des IS oder „nur“ von ihm inspiriert – das hilflose Mäandern der Experten befeuert das Ganze noch: Es verstärkt sich das Gefühl einer Bedrohung, die immer näher kommt.
In dieser Situation von Hilflosigkeit, Wut und Ohnmacht ist es natürlich, dass man nicht ruhig bleiben kann. Den Menschen drängen die Instinkte: Du musst etwas tun! Aber was?
Es kommt zu Ersatzreaktionen. Klagen und Schreien. Anklagen. Schuld zuweisen. Bis hin zum gegenseitigen Verteufeln.
Wohin dieser instinktive, aber blinde Aktivismus führen kann, lässt sich an den Folgen der Anschläge vom 11. September 2001 auf das World Trade Center in New York ablesen. Die USA, geschockt von der neuen Dimension des Terrors auf ihrem Boden, schlugen drauflos; auf vermeintliche Feinde und deren Unterstützer. Aber die Kriege und Militärschläge, die sie vom Zaun brachen, stürzten den Nahen und Mittleren Osten in noch größeres Chaos. Sie machten ihn zur Brutstätte des Dschihadismus. Ein Großteil der Menschen, die aktuell auf der Flucht sind, stammt von dort. Der IS, Mutter des gegenwärtigen internationalen Terrors, hat sich dort fest eingerichtet.
Alles wird nur noch schlimmer, wenn man dem Impuls zum Draufschlagen nachgibt – das müsste die Lehre sein.
Stattdessen droht sich die Geschichte zu wiederholen. Würzburg, Ansbach und vor allem München: Schon Minuten nach den ersten Meldungen über die Gewalttaten tobten die sozialen Netzwerke. Wildeste Vermutungen schossen ins Kraut. Nerven lagen blank. Wut schäumte.
Wie ein Fels in der Brandung wirkte da der Polizeisprecher von München. Marcus da Gloria Martins wurde nicht müde, Medien und Bevölkerung zu bitten: „Bleibt ruhig! Gebt uns doch mal die Chance, Fakten zu schaffen“, und mit rationalen Sachargumenten gegen, wie er sagte, eine „Wand aus Angst, Gerüchten, Meinungen und Stimmungen“ anzusprechen.
Für einen Augenblick spürten die Menschen, wie gut es tut, auf etwas Verlässliches zu blicken. Dabei geht es ja nicht nur um den Wohlfühlfaktor. Sondern darum, sich den Herausforderungen maximal kompetent zu stellen. Frag den Feuerwehrmann. Der wird dir sagen: Wenn du zwischen einstürzenden Dachbalken und glühenden Gastanks nicht kühlen Kopf bewahrst, hast du schon verloren. Sonst droht man, den Ideologen des Terrors in die Falle zu gehen. Denn die wollen genau das: Chaos, Gewalt, grundsätzliches Misstrauen und Entzweiung.
In der Welt habt ihr Angst. Auf diese Worte Jesu hat die westfälische Präses Annette Kurschus angesichts der Gewalt hingewiesen. Ja. Wir haben Angst. „Aber seid getrost“, fährt Jesus fort, „ich habe die Welt überwunden“.
Das kann uns die Kraft geben, trotz der Angst nüchtern zu bleiben. Und das Notwendige besonnen zu tun.
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Gegen die Angst
Nach den jüngsten Anschlägen schießt Angst hoch. Aber auch Wut. Ohnmacht. Und das Gefühl, etwas tun zu müssen. Aber was? Jetzt ist Besonnenheit gefragt. Kein Aktivismus