Immer wieder heißt es, man müsse auf Bildung gegen Judenhass und Rassismus setzen. In diese Richtung ging jetzt ein Workshop für angehende Erzieherinnen in Bonn. Ein Besuch.
Die drei Frauen sitzen beim Mittagessen im Freien. Sie sind Anfang 20, angehende Erzieherinnen und machen gerade Pause. Zuvor waren sie mit weiteren Teilnehmenden bei einem Workshop zum Umgang mit Antisemitismus, Rassismus und religiöser Vielfalt – als Vorbereitung auf ihre spätere Arbeit mit Kindern und Jugendlichen.
Wenn es um den Kampf gegen Judenhass und Rassismus geht, heißt es in der Politik immer wieder, dass auf Bildung gesetzt werden müsse. Genau das geschieht hier im Gustav-Stresemann-Institut in Bonn am Freitag. Dort sitzen Furkan Yüksel und Sinem Kiyici von der Frankfurter Bildungsstätte Anne Frank mit den Auszubildenden zusammen. Sie sprechen über Antisemitismus, Feindschaft gegenüber Muslimen und Rassismus, über Identität und Projektion.
“Ich erhoffe mir, dass ich mich selbst reflektieren kann”, sagt eine der drei Frauen, eine 22-Jährige. Ihren Namen möchte sie nicht nennen. Seyma will später, wenn sie im Job ist und möglicherweise Zeugin eines Vorfalls werden sollte, die Stärke haben, dies anzusprechen. “Es gibt Kinder, die schon mit Vorurteilen aufgewachsen sind”, gibt die 20-Jährige zu bedenken.
Den drei Frauen gefällt es, dass sie in dem Workshop auch offen von ihren eigenen Erfahrungen und Meinungen berichten können – auf Augenhöhe mit Yüksel und Kiyici. Seyma zum Beispiel sagt, dass sie sich in einer Bahn in Bonn einmal von einer Frau habe anhören müssen, dass sie sich glücklich schätzen könne, in Deutschland sein zu dürfen. Sie sei auch schon auf ihr Kopftuch angesprochen worden.
Im Stuhlkreis beim Workshop sitzt auch Janina Gerdes, Lehrerin für Politik und Sozialpädagogik am Robert-Wetzlar-Berufskolleg in Bonn. Die Klasse des Kollegs, die am Workshop teilnimmt, besuchen 17 Auszubildende zwischen 20 und 45 Jahren. Es sei wichtig, die Erzieherinnen in spe zu sensibilisieren, sagt Gerdes. Denn in ihrer späteren Arbeit in Kitas, Heimen oder in der offenen Kinder- und Jugendarbeit sollten sie demokratisch gesinnte Menschen fördern. Das Berufskolleg setze seit einigen Jahren auf solche Workshops.
In Bonn beschäftigen sich die Teilnehmenden an diesem Tag zum Beispiel damit, antimuslimische, antisemitische und rassistische Stereotype zu erkennen und zu analysieren: in Medien, in der Werbung, auf Bildern und in Sozialen Medien. Wenn etwa von “Islam” geschrieben wird, obwohl “Islamismus” gemeint ist. Wenn Schwarzen bestimmte Eigenschaften zugeschrieben werden. Wenn Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu mit Vampirzähnen, lüsternem Blick und einem blutenden Kind vor sich gezeigt wird.
Yüksel und Kiyici unterstreichen wiederholt, dass es notwendig ist, zu differenzieren – und gegen Pauschalisierungen und Zuschreibungen einzutreten. Kiyici sagt: “Man muss Vorurteile aktiv verlernen.” Ein solcher Satz ist es vielleicht, der die drei Frauen in der Mittagspause zu der Einschätzung kommen lässt, dass sie mit dem Team aus der Bildungsstätte auf Augenhöhe sprechen können. Was vieles erleichtere in dem Workshop.
Solche Veranstaltungen machen Kiyici und Yüksel mehrmals pro Woche, wie sie sagen. Nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 und dem folgenden Krieg Israels gegen die Hamas im Gazastreifen sei die Nachfrage zum Themenfeld Antisemitismus gestiegen, sagt Kiyici, die Lehramtsstudentin ist und freiberuflich für die Frankfurter Bildungsstätte arbeitet.
“Wir wollen aber nicht auf das Thema Antisemitismus reduziert werden”, betont Yüksel – sondern zeigen, dass Antisemitismus, Rassismus, Frauenfeindlichkeit und Antiziganismus miteinander zusammenhängen und von Rechtsextremen gleichermaßen genutzt werden. “Wir haben einen vorbeugenden Ansatz”, so Yüksel. Das Ziel: wie beim Gärtnern einen Samen in die Erde setzen.
Bildlich gesprochen, wolle die Bildungsstätte keine Feuerwehr sein, um dort, wo es brennt, zu löschen – das sei nicht der Ansatz, erklärt Yüksel. Nach dem 7. Oktober habe es überall gebrannt, aber nur das Löschen könne nicht der Ansatz sein. “Wir können auch nicht auffangen, was in der Bildung versäumt wurde”, so Yüksel. Bildung könne nicht alle Probleme lösen. Für ihn und seine Kollegin ist aber klar: Schon in der Ausbildung oder im Studium von Lehrkräften muss der Umgang mit Antisemitismus und Rassismus zu den verpflichtenden Inhalten gehören.