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Gefälliges Gute-Laune-Filmchen über den Duisburger Stadtteil Ruhrort

Eine Wohlfühl-Doku des WDR begibt sich in Duisburg-Ruhrort auf Spuren des immer noch legendärsten “Tatort”-Kommissars.

Fürs Gruppenfoto während der Krimi-Stadtführung postieren sich die Teilnehmer neben dem Schimmi-Denkmal und rufen allesamt “Scheißee!”. Das könnte den selben Zweck wie “Cheese” erfüllen – und leuchtet unmittelbar ein. Schließlich erregte Horst Schimanski als echt unkonventioneller Fernseh-Kommissar in der ARD-Reihe “Tatort” in den 1980er Jahren nicht zuletzt mit diesem damals verpönten Schimpfwort Aufsehen. Gleich 18-mal in einer Folge sagte er es, zählte sein seriöser, von Eberhard Feik gespielter Co-Ermittler Thanner einmal mit. Die entsprechende Krimi-Szene ist gleich zu sehen. Mit dieser hübschen Sequenz beginnt “Schimanskis Ruhrort – Duisburgs schönste Insel”.

Der 45-Minüter widmet sich dem an Rhein wie auch an der Ruhr gelegenen Duisburger Stadtteil Ruhrort, der als größter Binnenhafen der Welt und eben auch als Einsatzort Schimanskis deutschlandweit berühmt war – und noch immer ist. Die erste Folge hieß 1981 sogar gleich “Duisburg-Ruhrort”. Das von Führerin Dagmar Dahmen geleitete Grüppchen sieht dann noch das Haus, aus dessen Obergeschoss in der Startfolge jemand einen schweren Röhren-Fernseher schmiss, und schließlich die real existierende Horst-Schimanski-Gasse. Für die erste Schimanski-Folge wurden die Aufnahmen aus Ruhort nachträglich entfärbt, erfährt man: um (noch) grauer zu wirken und dem Schauplatz mehr Tristesse zu verleihen.

Heute hingegen sei Ruhrort eine “kleine, charmante Welt für sich”, sagt der Off-Kommentar während der Anfahrt auf der Friedrich-Ebert-Brücke. Oder sogar ein “schnuckeliges kleines Dörfchen”, wie es die Krimi-Stadtführerin formuliert. Zu den wenigen relativen Sehenswürdigkeiten gehören historische Brückentürme, in denen heutzutage der junge Mitarbeiter einer Immobilienfirma arbeitet, der eine Wollmütze trägt, wie sie auch in Schimanski-“Tatorte” passen würde, und einladend von “lecker Bierchen” spricht, wenn er den Standort Ruhrort lobt.

Vor allem wohl ein paar zufriedene Kunden seiner Firma werden dann gezeigt. Etwa die Wirtin der “Ankerbar”, die, als sie noch bloß “Anker” hieß, auch von Schimmi besucht wurde, in der inzwischen aber “Pizza und Pasta” statt Currywurst auf der Speisekarte stehen. Im “Blumencafé” werde Kunden “neben Schönem auch Leckeres” sowie “kleine Pläuschchen” geboten, erfährt man. Aufs Schiff des seit Jahrzehnten im Hafen aktiven Hafenmeisters, dem alle zuwinken, wenn er morgens herumschippert, begibt sich der Film ebenfalls. “Was früher verqualmt war, ist heute wie verwandelt”, sagt er – weil keine Kaminschlote mehr qualmen.

An dieser Stelle beginnt man sich zu fragen, ob der 45-Minüter das Paradiesische nicht zu sehr betont. Auch wenn der “Stadtteilchronist”, der Fotos aus Ruhrort auf Facebook stellt, seitdem er in den Ruhestand trat, darauf hinweist, dass es nicht überall puppenstubenmäßig aussieht. Sondern hinter den Schienen auch allerhand Leerstand zu beobachten sei. “Schimanskimäßig abgerockt” sei das, meint der Offkommentar. Und überschägt suich an anderer Stelle fast vor Begeisterung bei Sätzen wie “So klein der Stadtteil ist, so vielfältig ist er auch”.

Doch dass Ruhrort nicht mehr das “Drecksloch” ist, von dem ältere Einheimische in der “Ankerbar” erzählen, hat das nicht auch mit der Schließung von Industriebetrieben zu tun, für die Duisburg nicht nur bereits zu Schimmis Zeiten bekannt war, sondern im Zuge der Krisen der Stahlindustrie und des Thyssen-Krupp-Konzerns derzeit wieder ist? Wie wird das in Ruhrort gesehen? Auch zum Hafen, der laut Hafenmeister für “rund 50.000 Arbeitsplätze” steht, ließe sich einiges mehr erzählen. Wenigstens ein paar Takte zu aktuellen Problemen und Potenzialen der Schifffahrt wären schön gewesen.

Die vielen Lkws, die jedenfalls zum Binnenhafen-Betrieb gehören, fahren dann wohl durch benachbarte Stadtteile statt durch Ruhrort. Und leben dort eigentlich auch Menschen mit Migrationshintergrund, die sonst in Duisburg eine große Rolle spielen? Außer, dass im Schnellimbiss “Bei Gina”, in dem Schimanski einst seine erste Currywurst verzehrte, nun eine Döner-Pizzeria sitzt, deutet im WDR-Film nichts darauf hin.

Kurzum: Das gefällige Gute-Laune-Filmchen zeichnet ein wohliges Bild sympathischer Leute, die sich für ihren Stadtteil engagieren, ruht sich aber oft zu sehr auf den (weiterhin verdienten) Lorbeeren der Krimis aus dem 20. Jahrhundert aus. Horst Schimanski und sein Darsteller Götz George, die zu ihren Zeiten ja gerne auch herrschende Selbstzufriedenheit provozierten, hätten sich sicher eine kritischere Haltung gewünscht. Schließlich hatten sie dank ebenjener – und eben nicht nur mit “Scheiße!”-Rufen und der Schmuddeljacke – Wirkung erzielt.