Der Leiter der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald Mittelbau-Dora, Jens-Christian Wagner, fordert die Prüfung eines Parteiverbots für die AfD. Dass einem solchen Verbot auch angesichts der Erfahrungen des Nationalsozialismus hohe Hürden gesetzt seien, sei richtig und dürfte nur die allerletzte Möglichkeit sein, sagte der Historiker dem Magazin „Evangelische Perspektiven“ der braunschweigischen Landeskirche. „Wenn aber eine Partei offen verfassungswidrig auftritt und auch noch die Möglichkeit hat, aufgrund ihrer Stärke ihre Ziele tatsächlich umzusetzen, dann ist es ein Gebot demokratischer Wachsamkeit, solch ein Verbot ernsthaft zu prüfen.“
Ein Verbotsverfahren dürfe allerdings nur eingeleitet werden, wenn es Erfolgsaussichten habe, betonte Wagner. Das hätte schon vor zwei oder drei Jahren geschehen müssen, unterstrich er. Ein überzeugendes Argument, ein Verfahren nun doch noch zu beginnen, sei die Erkenntnis, dass mit dem Verbot der „Sozialistischen Reichspartei“ (SRP) im Jahr 1952 eine Gefahr für die noch junge und fragile Demokratie beseitigt worden sei. Die offen neonazistische SRP habe in Niedersachsen in einigen Regionen 40 Prozent – ebenso wie heute die AfD.
Insgesamt nehme er einen gesellschaftlichen Rechtsruck wahr, sagte der ehemalige Leiter der Gedenkstätte Bergen-Belsen. Demokratisch gesonnene Menschen, die in von der AfD dominierten Regionen lebten, wagten kaum noch, ihre Meinung zu sagen.
„Wir erleben es auch in der Gedenkstätte Buchenwald selbst, wo wir mit einer spürbaren Zunahme von Provokationen konfrontiert sind.“ Mehr als 1,3 Millionen Euro müsse die Gedenkstätte für Sicherheit ausgeben. Fast täglich seien auf dem Gelände Jugendliche in Kleidern der extremen Rechten, die sich in einschlägigen Posen gegenseitig fotografierten, „Sieg-Heil“ riefen oder einfach den Hitlergruß zeigten. Bei den Störern und Provokateuren handele es sich nur um eine Minderheit, die aber immer selbstbewusster und aggressiver auftrete.
Rechtsextreme, wenn sie erst einmal an der Macht seien, ließen sich nicht ohne weiteres entzaubern und aus der Macht drängen, warnte Wagner. Nicht nur Einrichtungen, sondern auch die Gesamtgesellschaft müsse krisenfest und resilient gemacht werden. Das sei nicht allein die Aufgabe von Gedenkstätten, Universitäten und Schulen. „Das ist eine Aufgabe von uns allen“, betonte Wagner.