Hakenkreuz-Schmierereien, Selfies mit Hitlergruß oder abgesägte Gedenkbäume: Aggressives Verhalten in Gedenkstätten nimmt seit einigen Jahren zu. Ein Historiker sieht klare Zusammenhänge zum Kurs einer Partei.
Übergriffe in KZ-Gedenkstätten und AfD-Propaganda hängen nach Worten des Historikers Jens-Christian Wagner miteinander zusammen. Der “eine oder andere Neonazi” könne sich von Äußerungen von AfD-Vertretern zu Störungen “ermutigt fühlen”, sagte Wagner der “Süddeutschen Zeitung” (Montag). Die Partei greife die Arbeit der Gedenkstätten immer wieder an und nutze beispielsweise den rechtsextremen Propagandabegriff eines “Schuldkultes”.
Seit 2015 seien “die Übergriffe wieder deutlich massiver geworden”, erklärte der Leiter der KZ-Gedenkstätte Buchenwald. Führungen würden gestört, es gebe Hakenkreuz-Schmierereien und weitere Zerstörungen. So seien etwa 50 von 250 Bäumen abgesägt worden, die die Lebenshilfe Weimar zum Gedenken an die Opfer des KZ Buchenwald gepflanzt hatte. “Neonazis schreien in den Gedenkstätten ‘Heil Hitler’ oder fotografieren sich mit Hitlergruß vor dem Krematorium oder dem Lagertor.”
Die AfD diskreditiere die Erinnerungskultur “kontinuierlich und relativ systematisch”, sagte Wagner. Beispielhaft nannte er unter anderem die Forderung des thüringischen AfD-Vorsitzenden Björn Höcke nach einer “180-Grad-Wende” in der Erinnerungspolitik. “Der Geschichtsrevisionismus gehört definitiv zur DNA und zum ideologischen Kern der AfD.”
Der Co-Sprecher der AfD Thüringen, Stefan Möller, hatte zuletzt eine Ablösung Wagners als Gedenkstättenleiter gefordert. “Natürlich geht es da um Feindbildmarkierung”, sagte Wagner. Und: “Wir wissen, dass ein Teil der harten Neonazis gewaltbereit ist.” Die Gedenkstätte stehe in ständigem Kontakt mit der Polizei, und er selbst sitze “abends nicht mehr am offenen Fenster am Schreibtisch”. Zugleich wolle er sich nicht einschüchtern lassen, betonte der Historiker.
Am 1. September finden Landtagswahlen in Thüringen statt. Bei einem Wahlerfolg könnte die AfD versuchen, Mittel für die Gedenkstätten zu streichen, sagte Wagner. Entsprechende Forderungen habe die Partei schon mehrfach gestellt. Laut Parteiprogramm solle zudem der Geschichtsunterricht vor allem dazu dienen, “Herkunft und Entwicklung unserer Hochkultur” zu vermitteln. “Das bedeutet eine Absage an historische Aufklärung”, so der Jenaer Professor. “Unsere Aufgabe als KZ-Gedenkstätten ist es dagegen, das Geschichtsbewusstsein und historische Urteilsvermögen zu stärken.”