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Gedenkstätte Breitenau arbeitet Einritzungen in Arrestzellen auf

Die Gedenkstätte Breitenau in Guxhagen im Schwalm-Eder-Kreis arbeitet mit der Universität Kassel Einritzungen in den Arrestzellen auf. Etwa 600 Botschaften von Inhaftierten seien in den Zellenwänden erhalten geblieben, sagte die Gedenkstätten-Leiterin Ann Katrin Düben dem Evangelischen Pressedienst (epd). In dem Projekt würden Ideen entwickelt, wie die Gedenkstätte die Einritzungen in Zukunft digital vermitteln kann, zum Beispiel über Lichtinstallationen, mithilfe von VR-Brillen, als multimedialen Rundgang oder in einem Podcast. In diesem Jahr werde wahrscheinlich zunächst ein 3D-Rundgang entstehen, der auf der Website zu verfolgen ist.

Ende 2022 habe mit Unterstützung der Hessischen Landeszentrale für politische Bildung eine neue Projektphase begonnen, um die Botschaften aufzuarbeiten, berichtete Düben. Zwei junge Restauratoren hätten sie sichtbar gemacht und dokumentiert, gemeinsam mit der Universität Kassel habe man sich an die Entschlüsselung gemacht.

„Bisher konnten die Zellen nur im Rahmen von Führungen besucht werden“, erklärte Düben. Deshalb habe man nach einer Möglichkeit gesucht, die Einritzungen auch einer größeren Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Die meisten Einritzungen umfassten Strichzählungen, kleine Bilder wie Herzen, eine Karikatur des Anstaltsdirektors Heinrich Klimmer, Laternen sowie die Namen der Eingesperrten, berichtete die Gedenkstätten-Leiterin. Es fänden sich aber auch vollständige Sätze wie beispielsweise
„Wir hungern hier, weil der Führer es so will“, „L. Hies Ffm war in Breitenau vom 8.10. bis 10.6.40 * Tage Arrest wegen Abrücken“, „Adam Grotz 14 Tage strengen Arrest von 23. August“ oder
„Franzel hat nur Friedel geliebt“.

Die Gedenkstätte Breitenau befindet sich in der ehemaligen Zehntscheune des 1113 gegründeten Benediktinerklosters Breitenau. Das Kloster wurde im Zuge der Reformation aufgelöst und im 30-jährigen Krieg stark zerstört. 1874 entstand eine Korrektionsanstalt, in der unter anderem Bettler zur „Nachhaft“ untergebracht waren – Menschen, die aus heutiger Sicht nicht als kriminell gelten würden, wie Düben betonte.

Düben zufolge wurden in einem Teil der alten Klosterkirche vier Etagen mit Sälen eingezogen. Im Kirchenportal entstand ein Treppenhaus, auf den halben Etagen Arrestzellen. Im Ostteil der Klosterkirche feiert noch heute die Evangelische Kirchengemeinde ihre Gottesdienste.

Im Juni 1933 errichteten die Nationalsozialisten das KZ Breitenau. Es war damit eines der frühen NS-Konzentrationslager. Bis 1934 waren laut Düben 470 Männer inhaftiert. Von 1940 bis 1945 diente Breitenau der Gestapo Kassel als „Arbeitserziehungslager“, vor allem zur Bestrafung von Zwangsarbeitern. Etwa 1.800 der 8.300 Gefangenen wurden von Breitenau aus in die großen Konzentrationslager wie Ravensbrück, Buchenwald, Sachsenhausen oder Auschwitz deportiert.

Nach dem Krieg entstand dort ein Mädchenerziehungsheim. Die Gedenkstätte Breitenau besteht seit 1984.