Artikel teilen:

Fußfessel für Gewalttäter geplant – Oft kommt dieser Schutz zu spät

Eine Fußfessel hätte manche Frau womöglich retten können. Jetzt soll sie Täter künftig vom nächsten Femizid abhalten – mit GPS, Warngerät und Polizeieinsatz. Der Schutz muss allerdings früher beginnen.

Der Vater schlägt, bekommt ein Kontaktverbot, hält sich nicht daran und tötet die Mutter mit 60 Messerstichen. Mit einer Fußfessel am Bein des Mannes hätte die Frau wohl weiter leben können, sagt Anwalt Ulrich Warncke, der sich schon länger mit der Thematik befasst. Der Täter bekam für diesen Femizid lebenslängliche Haft – ein Femizid ist eine Tötung eines Mädchens oder einer Frau aufgrund ihres Geschlechts.

Warncke ist neben seiner Arbeit als Anwalt ehrenamtlicher Präventionsbeauftragter des Weißen Rings in Hessen. Die Opferhilfe-Organisation unterstützt Menschen, die von Gewalt oder Kriminalität betroffen sind – und setzt sich seit mehreren Jahren dafür ein, den Gebrauch von Fußfesseln auszuweiten, unter anderem mit Brandbriefen an den damaligen Justizminister Marco Buschmann (FDP). Experten schauen zuversichtlich auf die nun geplanten Änderungen, vor allem mit Blick auf die steigende Zahl bundesweiter Femizide: laut Bundeskriminalamt 360 im Jahr 2023; Inklusive der versuchten Tötungen wurden 938 Fälle angezeigt.

Künftig sollen nicht nur entlassene Sexualstraftäter und islamistische sogenannte Gefährder, sondern auch potenziell gewalttätige Ex-Partner durch die Fußfessel per GPS überwacht werden können. Das plant die Bundesregierung, die sich dabei an dem als erfolgreich geltenden spanischen Modell orientiert.

Der Gefährder darf eine vorab definierte Zone nicht betreten, in der sich mögliche Opfer frei bewegen können. Übertritt eine überwachte Person die verbotene Zone, geht eine Meldung bei der zentralen Überwachungsstelle in Bad Vilbel nahe Darmstadt ein. Zeitgleich bekommt das Opfer über ein handygroßes Gerät eine Benachrichtigung. Die Beamten rufen den Gefährder an. Verlässt er die Zone nicht, wird unverzüglich die zuständige Polizeidienststelle informiert, die eine Streife schickt.

Frauenhäuser des Frankfurter Vereins begrüßen die neue Regel. Die stellvertretende Leiterin Nancy Hofmann ist froh, dass das Gerät künftig nicht nur in den ersten Wochen nach einer Tat oder einer Haft genutzt werden kann. Für gewöhnlich laufe es bislang andersherum: Nicht der Täter hält Abstand zum Opfer, sondern die Frau geht und sucht Schutz im Frauenhaus.

Ein gewalttätiger Mann, eine Schwiegerfamilie, die die Frau bedroht oder Zwangsheiraten – das sind nur einige von vielfältigen Gründen, aus denen Frauen einen der 86 Plätze in einem der drei Frauenhäuser in der Main-Metropole bekommen. Sie kommen oft mit Kindern, die die vorigen Taten direkt oder indirekt miterlebten. “Die Kinder sind immer mitbetroffen”, sagt Hofmann.

Im Frauenhaus bleiben sie im Schnitt neun Monate, bis sie eine neue Wohnung gefunden haben. “Dass eine Frau in ihr Umfeld zurückgehen muss, das gibt es nicht.” Bis dahin regeln Betroffene ihr Leben neu, schließen mithilfe der Mitarbeitenden Verträge ab und richten – in manchen Fällen das erste Mal in ihrem Leben – ein eigenes Konto ein. “Für die Frauen bricht ein neues Leben an”, sagt Hofmann. “Dann sieht man auch richtig, wie sie aufblühen, wenn sie etwas erreicht haben.” Ihr Höhepunkt ist die Teilnahme vieler dieser Frauen an Läufen des Frankfurter Marathons.

Damit Frauen besser vor Tätern im familiären Umfeld geschützt werden, muss ihrer Ansicht nach dringend das Sorge- und Umgangsrecht gestärkt werden. Es erlaube im Moment zu früh, dass gewaltbereite Väter die Kinder wiedersehen dürfen. Das sei für die Kinder schwierig, die die Taten mindestens indirekt mitbekamen. Und die Frau müsse dadurch wieder Kontakt zu ihrem Täter aufnehmen.

Ulrich Warncke vom Weißen Ring sieht zusätzlich Änderungsbedarf in der Ausbildung von Juristen und Polizisten. In den Vorbereitungskursen der Staatsanwälte in Hessen seien solche Inhalte mittlerweile Teil des Lehrplans. Das wünscht er sich bundesweit. Und: “Polizisten lernen nur ganz wenig über Opferschutz”, sagt er – aus eigener Erfahrung aus Workshops des Weißen Rings.

Letztlich hänge auch vieles am Verhalten der Frauen. “Es ist ein Trauerspiel, Frauen sagen zu müssen: Ihr müsst euch schützen”, sagt er. Aber offenbar notwendig: Ein Date nicht sofort mit nach Hause nehmen, gemeinsam mit Freundinnen feiern gehen, Selbstverteidigungskurse für das Selbstbewusstsein absolvieren, Vorsicht vor K.-o.-Tropfen bei offenen Getränken, dazu rät er – und einen sogenannten Schrillalarm mit sich zu tragen.

Zieht man aus diesem, rund zehn Euro günstigen Taschenalarm einen Stift, schrillt das Gerät mit einer ähnlichen Lautstärke wie ein Autoalarm – und der Täter ist abgeschreckt. Hoffentlich.