Der Vater ist vor allem bekannt als dauerbetrunkener Karnevalspräsident in der schrägen “Pink Punk Pantheon”-Sitzung. Der Sohn ist vielfach preisgekrönter Filmemacher. Sein neuer Film dreht sich um ihn und seinen Vater.
Biografie, Autobiografie und Reflexion – alles gleichermaßen ist der neue Film von Aljoscha Pause. Es geht um den prominenten Vater des Filmemachers, den Kabarettisten und Theatermann Rainer Pause, aber auch um das Leben des Sohnes, vor allem um dessen Kindheit, in der er weitgehend sich selbst überlassen blieb.
Mit den Mitteln des Dokumentarfilms versucht hier ein Regisseur seinen Vater kennenzulernen, in dessen Leben vor lauter Kunst kein Platz für ein Kind war.
Rainer Pause wurde 1947 in Essen geboren; sein Vater gehörte zur “schweigenden Generation”, der nie über Krieg oder Gefangenschaft sprach. Rainers Mutter war schon damals eine Helikopter-Mutter. Der als kränklich geltende Junge durfte nicht zum Spielen ins Freie, sondern wurde quasi zum Stubenhocker erzogen. Bereits als Schüler entdeckte der eigentlich schüchterne Rainer das Theater für sich.
Kaum hatte er in Bonn ein Medizinstudium begonnen, war er Mitglied der Studentenbühne und spielte sofort eine Hauptrolle. Er führte Regie und lernte im Theater seine spätere Ehefrau kennen. Bald lebte das Paar in einer Bonner WG.
1972 wurde Aljoscha geboren. Nach der Trennung der Eltern blieb er beim Vater, der ihn nachts oft alleinließ. Heute sieht Rainer Pause das kritisch, aber seinerzeit kam er gar nicht auf die Idee, dass es dem Sohn nicht guttun könnte, allein zu Hause zu bleiben. Von einer liebevollen Erziehung konnte keine Rede sein; da Rainer von seinem eigenen Vater keine Zuneigung erfahren hatte, konnte er diese auch nicht weitergeben. Und von Erziehung hielt er schon mal gar nichts.
Die große Krise kam, als Aljoscha mit 15 ein “schwieriger” Junge wurde, der die Schule schwänzte und schließlich im Jugendknast landete. Heute wirft er dem Vater vor, dass er ihm zu viele Freiheiten gelassen habe; er hätte mehr Führung gebraucht. Doch Rainer Pause hatte anderes zu tun. In dieser Zeit, Ende der 1980er-Jahre, gründete er das Pantheon-Theater.
Aljoscha arbeitete dort mit. Früh war allerdings klar, dass er den kompromisslosen Lebensentwurf seines Vaters, der alles für die Kunst opferte, nicht übernehmen wollte.
Beide, Rainer und Aljoscha, wurden und werden offenbar von einer großen Sehnsucht nach Normalität angetrieben, aber zugleich magisch von der Parallelwelt des Theaters und der Kunst angezogen. Während Rainer Pause schon relativ früh sein Leben dem Theater widmete und heute auf eine beachtliche Karriere als Kabarettist und Theatermacher zurückblickt, benötigte Aljoscha deutlich mehr Zeit, um sich selbst zu orientieren.
Beide, Vater und Sohn, mussten sich immer wieder der Frage stellen: “Was ist mein eigener Weg? Und wer bin ich?” Die von Rainer geschaffene Figur des Fritz Litzmann – ein Spießbürger mit zurückgekämmten Haaren und dicker Brille – verkörpert er perfekt: eine clowneske Erscheinung mit viel Körperkomik und brillant formulierten Texten. Für Rainer mündete die linksalternative Bewegung der 1960er- und 1970er-Jahre direkt in einen künstlerischen Werdegang, der ihm erlaubte, seine früheren Ideale weiter zu vertreten und zu pflegen. Für eine Familie war da wenig Platz.
Aljoscha hingegen präsentiert sich als aktualisierte Neuausgabe seines Vaters: weniger politisch und politisierend, dafür mit einer zeitgemäßen Vorstellung von Beruf und Familie – Work-Life-Balance im Namen der Kunst, sozusagen. Ein schwieriger Balanceakt.
Dass Rainer Pause eingewilligt hat, gemeinsam mit seinem Sohn diesen Film zu machen, als Zeitreise mit ungewissem Ausgang, spricht für ihn. Mit seinen bald 80 Jahren ist er immer noch beweglich und flott auf den Beinen, ein sympathischer Herr, dem man sein Alter nicht ansieht. Seine gleichzeitig kluge und bodenständige Art, das Leben zu reflektieren, führt die ganze Problematik vor Augen: Dieser Mann verfügt über viel Charisma und damit über eine Dominanz, gegen die sich der Sohn immer gewehrt hat und die für ihn nicht erstrebenswert ist. Dieser Aspekt macht die Beziehung zwischen beiden noch schwieriger.
Um die Geschichte dieses komplizierten Vater-Sohn-Verhältnisses zu erzählen, konnte Aljoscha Pause auf vielfältiges Recherchematerial aus seiner Familie, dem Theater und seinem Umfeld zurückgreifen. Gut gemachte Animationen schaffen zusätzliche Stimmungen. Der Grundton ist meist locker, manchmal etwas melancholisch.
Für seine Vater-Sohn-Biografie konnte Aljoscha Pause dabei auf die erste Garde der deutschen Kabarett- und Comedy-Prominenz zurückgreifen: Gerhard Polt und Bastian Pastewka, Carolin Kebekus, Helge Schneider, Michael Mittermeier und andere erzählen von alten Zeiten und dem Leben für die Kunst – einige von ihnen sind mit Aljoscha seit seiner Jugend verbunden. Die Interviews haben dadurch einen persönlichen Charakter, was den Film trotz seiner Laufzeit von zweieinhalb Stunden und mancher Längen unterhaltsam macht. Und immerhin deutet sich am Ende der ebenso vergnüglichen wie nachdenklichen Zeitreise ein gewisser Fortschritt in der Beziehung zwischen Vater und Sohn an.