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Friedenspreisträgerin Applebaum für Aufrüstung und Abschreckung

Die US-Historikerin Anne Applebaum fordert Demokratien zur wehrhaften Verteidigung gegen autoritäre Regime auf. Dazu brauche es auch Antworten auf Hasskampagnen im Netz.

US-Historikerin Anne Applebaum ist die diesjährige Buchhandel-Friedenspreisträgerin
US-Historikerin Anne Applebaum ist die diesjährige Buchhandel-FriedenspreisträgerinImago / Eibner

Die diesjährige Buchhandel-Friedenspreisträgerin Anne Applebaum sieht militärische Abschreckung und Aufrüstung als zentrale Bedingung, damit sich liberale Demokratien gegen autokratische Systeme verteidigen können. “Wenn Europa auch künftig eine Bastion der Demokratie bleiben will, müssen die europäischen Staaten und die EU darauf vorbereitet sein, sich auch ohne die Unterstützung der USA zu behaupten – und dazu gehört die Fähigkeit, sich militärisch zu verteidigen”, sagte Applebaum bei der Buchmesse in Frankfurt.

Die Publizistin zeigte sich überzeugt, dass eine glaubhafte militärische Abschreckung und eine Aufrüstung der Ukraine den russischen Angriff auf die Ukraine hätte verhindern können. Auch habe der Westen die strategischen und politischen Ziele Russlands zu lange ignoriert und naiv vor allem auf wirtschaftliche Beziehungen gesetzt. “Die Pipeline North Stream II war für Russland ein politisches Projekt, um einen Angriff auf die Ukraine vorzubereiten. Der Westen hat das viel zu lange ignoriert.”

Applebaum: “Demokratische Ära nicht zu Ende”

Die Friedenspreisträgerin zeigte sich dennoch davon überzeugt, dass die liberalen Demokratien weiterhin die stabileren Staatsformen seien – trotz des Erstarkens von autoritären Systemen wie Iran, Russland oder China. “Es ist nicht ausgemacht, dass die demokratische Ära zu Ende gehen muss. Und auch für Russland kann ich mir irgendwann einen anderen Kurs vorstellen.” Die demokratischen Staaten in Europa, Asien und Nordamerika dürften aber nicht länger das Erstarken und Vernetzen der autoritären Regime unterschätzen.

Anne Applebaum ist davon überzeugt, dass eine liberale Demokratie die stabilere Staatsformen ist
Anne Applebaum ist davon überzeugt, dass eine liberale Demokratie die stabilere Staatsformen istImago / Ukrinform

Applebaum forderte mehr internationale Zusammenarbeit, um Geldwäsche, Korruption und über das Internet orchestrierte Hass- und Desinformationskampagnen zu bekämpfen. “Die Sozialen Medien belohnen Hass und Hetze, weil sie Klicks bringen und damit Geld für die Medienkonzerne generieren. Das müssen wir ändern. Wir brauchen neue Regeln für die Internetkommunikation”, sagte Applebaum.

Finanzsysteme destabilisieren Demokratien

Auch beim Finanzsystem brauche es mehr Transparenz und Kontrollen. “Warum gelingt es uns nicht, die Machenschaften von Steuerparadiesen und Briefkastenfirmen zu stoppen, die weltweit zur Destabilisierung von Demokratien beitragen?”, sagte die Publizistin.

Applebaum erhält am Sonntag in der Frankfurter Paulskirche den renommierten Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Die Historikerin ist eine große Expertin der osteuropäischen Geschichte und hatte schon früh vor einer möglichen gewaltvollen Expansionspolitik Wladimir Putins gewarnt.

Sie begann 1988 ihre journalistische Karriere als Auslandskorrespondentin in Polen. 2002 wurde sie für vier Jahre Mitglied im Herausgebergremium der “Washington Post”. Aktuell schreibt sie vornehmlich für die US-amerikanische Zeitschrift “The Atlantic”. Mehrere ihrer Bücher wurden ausgezeichnet.

US-Historikerin mit polnischem Außenminister verheiratet

Applebaum, die mit Unterbrechungen seit 30 Jahren in Polen lebt, besitzt seit 2013 neben der US-amerikanischen auch die polnische Staatsbürgerschaft. Seit 1992 ist sie mit dem polnischen Politiker Radoslaw Sikorski verheiratet, der von 2007 bis 2014 Außenminister war und dieses Amt 2023 wieder übernommen hat.

Der Friedenspreis wird jeweils zum Ende der Frankfurter Buchmesse in der Paulskirche verliehen. Er ist mit 25.000 Euro dotiert und wird seit 1950 vergeben. Geehrt werden Persönlichkeiten, die in Literatur, Wissenschaft oder Kunst zur Verwirklichung des Friedensgedankens beigetragen haben. Im vergangenen Jahr war der indisch-britische Schriftsteller Salman Rushdie ausgezeichnet worden.