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Freistaat Sachsen erwirbt Bibliothek der Abtei Sankt Marienthal

Die pure Not trieb die Zisterzienserinnenabtei Sankt Marienthal dazu, einmalige literarische Werke im Kunsthandel anzubieten. Nach jahrelangen Verhandlungen bleibt die Klosterbibliothek nun in Sachsen.

Das Aufatmen der Verhandlungspartner war unüberhörbar: Nach über zwei Jahren einigten sich der Freistaat Sachsen und die Zisterzienserinnenabtei Sankt Marienthal über die Zukunft der bedeutenden Klosterbibliothek, wie beide Seiten am Mittwoch in Dresden bekannt gaben.

Der Freistaat erwarb die über 2.700 Werke aus dem 12. bis 19. Jahrhundert, darunter einmalige mittelalterliche Handschriften und Urkunden, für 5,5 Millionen Euro. Mit Unterstützung der Ernst von Siemens Kunststiftung, die davon eine Million Euro übernahm, hilft es dem Kloster aus einer existenzbedrohenden Notlage.

Die Entscheidung der Abtei, einige besonders wertvolle Werke seiner Bibliothek auf dem internationalen Kunstmarkt anzubieten, hatte die Fachwelt im Jahr 2022 aufgeschreckt. Kunstexperten kritisierten dies scharf mit der Begründung, dass vor allem der “Marienthaler Psalter” ein Werk von europäischem Rang sei. Auch Sachsens Kulturministerium betonte, es wäre ein “unersetzbarer Verlust”, wenn vor allem die reich illustrierte mittelalterliche Handschrift ins Ausland oder in Privatbesitz käme und dort nicht mehr öffentlich zugänglich wäre.

Das fast verzweifelt anmutenden Werben von Äbtissin Elisabeth Vaterodt um Verständnis für diesen Schritt fand damals wenig Gehör. Sie hatte vorgebracht, dass das am Neiße-Fluss gelegene Kloster vor allem durch das verheerende Hochwasser von 2010 in eine krasse finanzielle Schieflage geraten war. Trotz staatlicher Förderung mussten die Ordensfrauen für die erforderlichen Restaurierungsarbeiten fünf Millionen Euro selbst aufbringen, über die sie nach Angaben der Äbtissin nicht verfügten. Für die im Kunsthandel angebotenen Handschriften hatte der Freistaat zunächst 1,2 Millionen Euro angeboten.

Bei folgenden weiteren Verhandlungen gab es dann zeitweise “Unverständnis und viele Verletzungen auf beiden Seiten”, wie die Äbtissin einräumte, ohne dies weiter auszuführen. Umso mehr freute sie sich jetzt in der Sächsischen Landesbibliothek Dresden über die nun erreichte Einigung. Der Verkaufserlös der Bibliothek enthebt das Kloster für die kommenden Jahre seiner finanziellen Sorgen, wie Elisabeth Vaterodt erklärte. Die allermeisten Druckwerke sollen zudem als Leihgaben an ihrem angestammten Ort in den barocken Bibliotheksräumen der Abtei verbleiben.

Nur die konservatorisch anspruchsvollsten Werke, acht Handschriften und 35 Urkunden, kommen in die Sächsische Landesbibliothek, so deren Generaldirektorin Katrin Stump. Dort werden sie in Kooperation mit dem Handschriftenzentrum der Universität Leipzig fachgerecht aufbewahrt. In der “Schatzkammer” der Landesbibliothek sind der Marienthaler Psalter und das ursprünglich aus dem Kloster Altzelle stammende Kapiteloffiziumsbuch bereits bis zum 6. Januar 2024 zu besichtigen.

Erleichtert über die Einigung zeigte sich auch Sachsens Kulturministerin Barbara Klepsch (CDU). Sie würdigte die Klosterbibliothek als “ein Zeitzeugnis der christlichen Fundamente und eine herausragende Wegmarke der sächsischen Geschichte”.

An den langwierigen Verhandlungen ließ Generalsekretär Martin Hoerens aber auch Kritik anklingen, als er hervorhob, dass die Ernst von Siemens Stiftung erst spät einbezogen wurde. Hoerens riet, in vergleichbaren Fällen mit der Kunststiftung “frühzeitig ins Gespräch zu kommen, wenn Not am Mann ist”.

Die neun, meist älteren Schwestern von Sankt Marienthal und drei vorerst zeitweilig mit ihnen lebende Frauen wollen sich nach den Worten von Äbtissin Vaterodt nach den Turbulenzen der vergangenen Jahre nun wieder verstärkt auf ihr klösterliches Leben konzentrieren. Nächstes großes Ziel ist 2034: Dann kann Deutschlands traditionsreichstes Zisterzienserinnenkloster sein 800-jähriges Bestehen feiern.