BAD OEYNHAUSEN – Der Vorstandssprecher der Diakonischen Stiftung Wittekindshof, Dierk Starnitzke, sieht das neue Bundesteilhabegesetz skeptisch. Das zum Jahresbeginn in Kraft getretene Gesetz habe den positiven Ansatz, für Menschen mit Behinderungen eine möglichst freie Lebensführung zu fördern. „Wir sehen aber in dem Gesetz auch Gefahren“, erklärte Starnitzke beim Aschermittwochsempfang der Stiftung. Durch die Vielzahl und Komplexität der neuen Regelungen sei das Risiko hoch, dass sich behinderte Menschen mit ihren rechtlichen Betreuern „im Dschungel der neuen gesetzlichen Bestimmungen verirren“.
Der Wittekindshof habe in den letzten Jahren Strukturen erarbeitet, um Menschen mit Behinderungen bei einer möglichst freien Lebensführung gut unterstützen zu können, sagte Starnitzke. Durch die neuen Regelungen könnten diese Strukturen zerstört werden. Als Beispiel nannte er die Betreuung von Menschen, für die nach einem richterlichen Beschluss Einschränkungen ihrer Freiheit gelten. Durch spezielle Betreuungskonzepte, technische Hilfsmittel und Qualifizierung von Mitarbeitern könnten diese Maßnahmen verringert werden. Das gehe aber nur, wenn es nicht durch Einsparungen und Absenkungen von Standards verhindert werde.
Starnitzke rief Kostenträger, Vertreter der Kommunen, rechtliche Betreuer und Mitarbeiter dazu auf, bei der Förderung einer freien Lebensführung von behinderten Menschen zusammenzuarbeiten. Hintergrund ist, dass künftig Leistungen der Eingliederungshilfe, der Existenzsicherung, der Pflege und der medizinischen Versorgung miteinander verflochten werden.
Der Wittekindshof-Chef begrüßte, dass mit der zum Jahresbeginn eingerichteten „Stiftung Anerkennung und Hilfe“ nun auch ehemalige Kinder und Jugendliche aus der Behindertenhilfe und Psychiatrie Entschädigungen erhalten. Nun komme es darauf an, den noch Lebenden Mittel der Stiftung und damit verbundene Anerkennung zukommen zu lassen.
In ihrem Festvortrag würdigte die westfälische Präses Annette Kurschus, dass zum 500. Reformationsjubiläum das Thema Reformation über die Kirchen hinausstrahle. Der Beitrag der Reformation und der evangelischen Kirchen zur europäischen Freiheitsgeschichte werde in der Öffentlichkeit in hohem Maß anerkannt und gewürdigt, sagte sie. Diese Freiheitsgeschichte sei ein gemeinsam zu pflegendes und verteidigendes Erbe.
Freiheit sei auch anstrengend, sagte Kurschus. Die wachsende Unlust an der mitunter mühsamen Arbeit der Freiheit und des Kompromisses sei gegenwärtig vielleicht die größte Gefahr in den freiheitlichen Demokratien. Der Staat, die Gesellschaft und die Glaubensgemeinschaften seien gefordert, die Lust und die Freude an der Freiheit einzuüben. epd
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Freiheit nicht gefährden
Wittekindshof-Chef Dierk Starnitzke warnt vor Verschlechterungen durch Teilhabegesetz. Präses Kurschus: Große Resonanz auf Reformation

Anke Marholdt