Eva Matern möchte über ihr Leben mit der Krankheit Multiple Sklerose (MS) sprechen. Deshalb hatte sie 2017 die Sendung „handi+cap“ ins Leben gerufen. Mit verschiedenen Gästen berichtete sie in diesem Format beim Freien Radio Neumünster über das Leben mit Behinderung. „Die Idee zu ‘handi+cap’ kam mir, weil es mich so genervt hat, dass niemand über den Welt-MS-Tag berichtet“, erzählt sie.
In diesem Jahr wollte Matern eigentlich aus gesundheitlichen Gründen mit der Sendung aufhören. Die MS mache ihren Alltag immer schwieriger. „Weil dieses Format aber so wichtig ist, wollten wir es in anderer Form weiterlaufen lassen“, erzählt sie. Aus dieser Idee entstand schließlich die Inklusionsredaktion des Freien Radios Neumünster. An jedem zweiten Dienstag im Monat gibt es eine Stunde zum Thema „Leben mit Behinderung“.
Das Freie Radio Neumünster ist ein Community-Radio. Es ist weder durch Werbung noch öffentlich-rechtlich finanziert. Alle Mitarbeitenden sind ehrenamtlich engagiert, die Miete für das Studio und die Redaktionsräume übernimmt die Stadt Neumünster. Außerdem gibt es einen Förderverein. Neben der Sendung der Inklusionsredaktion produziert das Freie Radio ein buntes Programm: Einmal im Monat sind unter anderem „Die Schlagershow“, „Das Seniorenmagazin“ oder „Die Schmöckerstunde“ zu hören.
„Als Stadtradio haben wir die Möglichkeit, über Themen zu berichten, die für andere Redaktionen zu klein und zu lokal sind“, sagt Peter Fobian, Mitglied der Inklusionsredaktion. So könne das Freie Radio gezielt über das berichten, was die Menschen in Neumünster bewegt. Für die Inklusionsredaktion bedeute das unter anderem, Möglichkeiten für Menschen mit Behinderung in der Stadt vorzustellen. „Wir wollen den Menschen Mut machen, solche Einrichtungen und Angebote auch zu nutzen.“
Das mache die Themen der Inklusionsredaktion besonders vielfältig: Die Mitarbeitenden stellen Einrichtungen für Menschen mit Behinderung vor, führen Interviews und begleiten besondere Aktionen. „Vor allem wollen wir Menschen mit Beeinträchtigung eine Stimme geben“, erklärt Fobian. So habe das Radio unter anderem Neumünsters Integrationsfachdienst interviewt oder die Aktion „pimp your rollator“ vorgestellt.
Die Inklusionsredaktion hat zurzeit sechs Mitglieder, eine Mischung aus Menschen mit und ohne Beeinträchtigung. „Es ist einfach authentischer, wenn auch Menschen mit Beeinträchtigung bei uns in der Redaktion mitarbeiten“, erklärt Fobian. „Als Mensch ohne Beeinträchtigung kann man ja auch gar nicht alles wissen und auf alle Themen kommen“. So sei zum Beispiel ein Beitrag zur fehlenden Barrierefreiheit auf Plätzen in Neumünster entstanden. „Ohne Eva wäre mir das nie aufgefallen“, berichtet der 57-Jährige.
Jeder Redakteur und jede Redakteurin in der Inklusionsredaktion darf eigene Themen einbringen. Auch bei der Musikauswahl für die monatliche Sendung werden Musikwünsche von allen Mitarbeitenden berücksichtigt. Denn: „Entscheidungen werden bei uns immer in der Gruppe getroffen. Es gibt keine Chefs“, sagt Fobian. Auch das sei eine Besonderheit des selbstorganisierten Community-Radios. „Je mehr unterschiedliche Perspektiven wir auf das Leben in Neumünster einbringen können, desto besser.“
Auch Eva Matern ist weiterhin in der Inklusionsredaktion dabei, auch wenn sie seltener am Mikrofon steht als früher. Sie moderiert weiterhin zum Welt-MS-Tag am 30. Mai eine Sendung. „Ich will weiter über meine Krankheit informieren“, erzählt sie. „So, dass die Menschen draußen wissen: Diese Krankheit ist scheiße.“ Um ihre Sendung im Tonstudio aufzunehmen, braucht sie mittlerweile etwas Hilfe: „Aber jemand aus der Redaktion ist immer bereit, den Regler für mich zu schieben.“