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Frauenkraft beim Orgelbau

Bisher war der Orgelbau fest in den Händen von Männern. Doch seit einiger Zeit beginnt die Traditionsdomäne zu bröckeln: Immer mehr Frauen entdecken den Beruf der Orgelbauerin. Besuch bei zwei Werkstätten, in denen Frauen arbeiten

Bernd Marzi

Bauarbeiterinnen oder Kindergärtner? Das sind Exoten in Berufen, die überwiegend von einem Geschlecht dominiert werden. Bei Orgelbauern ist das nicht anders. Dieser traditionsreiche Beruf war lange Zeit fest in der Hand von Männern. Das Berufsbild ist mindestens so althergebracht wie die traditionsbewusste Kundschaft, mit der es Orgelbauer zumeist zu tun haben.
Doch die Frauen holen auf. Längst sind sie in Orgelbauwerkstätten keine Ausnahmen mehr; auch die Zahl der weiblichen Auszubildenden nimmt, wenn man einmal stichprobenartig bei Orgelbauern nachfragt, immer weiter zu.
Etwa bei der Orgelbauwerkstatt Weimbs. In dem Eifelstädtchen Hellenthal bauen 16 Mitarbeiter Instrumente, die in Deutschland wie auch weltweit aufgestellt werden, das neueste gerade im japanischen Kyoto.
Frank Weimbs hat vier weibliche Angestellte, davon nur eine in der Verwaltung, die üblicherweise die Frauendomäne im Orgelbau ist. Eine Auszubildende, eine Gesellin und eine Hilfsarbeiterin sind in seiner Werkstatt beschäftigt.
„Heutzutage ist es ja normal, dass Frauen im Handwerk arbeiten, früher war das die Ausnahme“, bestätigt Weimbs den generellen Trend. Für ihn spielt die Geschlechterfrage ohnehin keine Rolle. „Wenn sich bei uns eine Auszubildende bewirbt, dann lasse ich die genauso für ein Gespräch und ein Orientierungspraktikum kommen wie einen männlichen Bewerber. “
Viel entscheidender ist aus seiner Sicht die unstete Ausbildungssituation im Orgelbau. „Allgemein hat es der Orgelbau schwer“, so stellt er fest. „Voriges Jahr hatte ich so wenig Bewerbungen wie nie, konnte aber keinen einzigen geeigneten Kandidaten finden.“ In diesem Jahr dagegen hatte er so viele Bewerbungen wie nie zuvor. „Es ist grundsätzlich schwieriger geworden, passende Kandidaten zu finden“, sagt Weimbs. Die Frage ob Mann oder Frau spielt da für ihn keine Rolle. Grundsätzlich seien Frauen aber sehr wichtig für ein gutes Betriebsklima.
Das kann auch Anne-Christin Eule bestätigen. „Es lockert das Miteinander auf. Man geht anders miteinander um.“ Eule übernahm 2005 die gleichnamige Orgelbauwerkstatt mit derzeit 48 Mitarbeitern im sächsischen Bautzen – von ihrer Großmutter. Frauen in Leitungsfunktionen, für sie war das also kein Neuland.

Eine Frau, 40 Männer: „Das war eine harte Zeit“

Im Orgelbau im Allgemeinen dagegen schon. Eule ist immer noch eine Exotin in diesem, auch in den Chefetagen von Männern dominierten Beruf. Nach dem Abitur hatte sie zunächst eine Orgelbaulehre gemacht. „Die Situation war nicht immer einfach, weil ich ja nicht nur die Auszubildende war, sondern auch die Enkelin der Chefin. Da hatte ich mit 40 Männern zu kämpfen, das war eine harte Zeit“, erinnert sie sich.
Zu diesem Zeitpunkt hat Eule sich noch nicht zugetraut, die Verantwortung auf ihren Schultern zu tragen. Die junge Frau hat dann erst noch Betriebswirtschaft studiert, war im Ausland und hat ganz bewusst offengelassen, ob sie wieder zurückkommt und die Nachfolge ihrer Großmutter übernimmt. „Das Thema Frauen hat für mich dabei aber überhaupt keine Rolle gespielt.“
Sie sieht jedoch für Frauen eine spezielle Problematik: Der Orgelbau sei für viele faszinierend; aber der Wunsch, eine Familie zu gründen doch oft stärker. „Unsere Mitarbeiter sind drei bis sechs Monate im Jahr auf Montage fernab der Heimat. Viele wollen aber nicht auf Montage fahren und sind zudem wegen der Kinder lange raus aus dem Beruf.“
Kritisch ist aus ihrer Erfahrung die Zeit nach der Lehre. In dieser Zeit entscheide sich häufig, ob Frauen dabeibleiben oder nicht. „Wenn sie diese Zeit überstanden haben, bleiben sie meist. Wenn sie in dieser Zeit gehen, sind sie meistens gänzlich fort vom Orgelbau.“
Lara-Melisa Hohn, Auszubildende bei Weimbs, ist eigentlich egal, dass sie in einem typischen Männerberuf arbeitet. „Ich fühle mich nicht anders behandelt.“  Da geht es ihr wie ihrer Kollegin Annekatrin Woelk. Die Gesellin hat bei einer anderen Firma gelernt, dann acht Jahre im Beruf gearbeitet, zwei Kinder bekommen. Sie ist von Kindesbeinen an fasziniert vom Instrument Orgel. Das Argument, dass Männer stärker seien, lässt sie nicht gelten: „Von denen hebt auch keiner eine schwere Windlade alleine hoch.“