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Forscher untersuchen genetische Vielfalt der Kartoffel

Sie ist eine tolle Knolle – Kartoffeln erfreuen sich in Deutschland großer Beliebtheit. Zuletzt nahm der Pro-Kopf-Verbrauch wieder deutlich zu. Jetzt soll ihre genetische Vielfalt untersucht werden.

Pommes auf dem Markt oder im Stadion, Kartoffelknödel mit Rotkohl und Gänsebraten zu Sankt Martin: Kartoffelgerichte sind vielfältig und vom Speiseplan der Bundesbürger kaum wegzudenken. Kartoffeln gehören so sehr zu Deutschland, dass “Bio”-Deutsche gelegentlich – mehr oder weniger liebevoll gemeint – als “Kartoffel” verspottet werden.

Weltweit ist die Kartoffel nach Reis, Weizen und Mais die viertwichtigste Kulturpflanze – und spielt eine entscheidende Rolle für die Ernährung der Weltbevölkerung. Doch über die genetische Vielfalt der in Deutschland aufbewahrten Kartoffeln ist bislang wenig bekannt. Das soll sich nun ändern.

Im Rahmen des Projekts “Pommorow” (Potatoes for Tomorrow/Kartoffeln für morgen) wird die gesamte Kartoffelsammlung der deutschen Genbank erstmals vollständig genetisch untersucht. Fünf renommierte Forschungsinstitute und drei Wirtschaftsunternehmen aus dem Bereich Pflanzenzucht beteiligen sich, darunter das Max-Planck-Institut für Molekulare Pflanzenphysiologie in Potsdam und das Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung in Gatersleben.

Insgesamt 6.357 genetische Varianten von Kartoffeln werden in der deutschen Genbank aufgebewahrt, teilte das Max-Planck-Institut am Freitag mit. Das Ziel des Projekts: die Varianten zu identifizieren, die Schädlingsresistenz, geringen Düngebedarf oder eine hohe Stresstoleranz gegenüber Trockenheit aufweisen – Eigenschaften, die für einen nachhaltigen und klimaangepassten Anbau immer wichtiger werden.

Für zehn Kartoffellinien wird sogar das komplette Genom entschlüsselt. Die Daten sollen dazu genutzt werden, ein Vorhersagemodell zu entwickeln, das die Eigenschaften einer Kartoffelpflanze aus den genetischen Informationen ableiten kann. Das könnte die Züchtung robuster Sorten erheblich beschleunigen, teilten die Wissenschaftler mit.

In Zeiten des Klimawandels ein wichtiges Projekt für die Ernährung weltweit. Deutschland gehört zu den größten Kartoffelerzeugern der Welt. Der Konsum ist in der Bundesrepublik zuletzt wieder deutlich angestiegen. Im Wirtschaftsjahr 2023/24 standen nach Angaben der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung knapp sieben Millionen Tonnen Kartoffeln für die Verwendung im Inland zur Verfügung. Pro Person lag der Konsum bei 63,5 Kilogramm, knapp acht Kilo mehr als im Vorjahr. Dies ist der höchste Pro-Kopf-Verbrauch seit zwölf Jahren. Dabei wurden 25,5 Kilogramm als Frischkartoffeln verzehrt. 38 Kilo gelangten als Pommes, Kartoffelsalat oder Chips auf die Teller der Bundesbürger.

Von Grumbeere bis Erdapfel und Tüffel: Fast jede Region hat ihre eigene Bezeichnung für die nahrhafte Knolle. Über Jahrhunderte hat die Kartoffel in Europa maßgeblich zur Ernährungssicherheit beigetragen. Und die Bedeutung nimmt zu, weil der Nährwert hoch und der Wasserverbrauch beim Anbau gering ist. Im Schnitt benötigt man 1.400 Liter Wasser für ein Kilo Weizen, 2.500 Liter für ein Kilo Reis und fast 17.000 Liter Wasser für ein Kilo Rindfleisch. Für Kartoffeln sind es dagegen nur 130 Liter.

Lange war umstritten, woher die Kartoffel eigentlich kommt: aus Chile oder aus den Anden Perus? Eine 2019 veröffentlichte Genanalyse Tübinger Entwicklungsbiologen zeigte: Beide Lager haben Recht. Erstmals auf dem europäischen Festland ist die Kartoffel im späten 16. Jahrhundert in Spanien belegt. Spanische Seefahrer brachten diese Knollen aus den Anden Perus mit. Anfang des 19. Jahrhunderts wurden chilenische Sorten eingekreuzt. Die moderne Kartoffel entstand.

Das ist allerdings noch nicht das Ende der Geschichte: Denn zwischen 1846 und 1891 erlebten die Ursprungssorten aus den Anden wieder eine Renaissance. Der Grund: die Kraut- und Knollenfäule und die damit einhergehende große Hungersnot in Irland zwischen 1845 und 1847. Hunderttausende starben, weil die einzige dort verbreitete Kartoffelsorte nicht resistent gegen Knollenfäule war.

In Deutschland musste sich die Knolle gegen viele Widerstände durchsetzen. Schon im Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) gelangte sie über die Niederlande nach Franken. Da die Menschen zuerst die giftigen Beeren probierten, wurde sie als Teufelskraut verschrien. 1746 erließ dann Preußenkönig Friedrich II. angesichts einer Hungersnot den ersten seiner “Kartoffelbefehle”: Seine Bauern mussten fortan einen Teil ihrer Felder mit Kartoffeln bepflanzen. Seitdem gilt der Alte Fritz als Pate der Kartoffel.