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Forderungen nach mehr DDR-Geschichte im Schulunterricht

Vor dem Hintergrund wachsender Zustimmung zur AfD rufen Experten zu mehr DDR-Geschichte im Schulunterricht auf. Die Aufarbeitungsbeauftragten der ostdeutschen Bundesländer fordern dafür mehr Zeit für die Vermittlung und mehr personelle Kapazitäten. Umfragen belegten, dass junge Menschen immer weniger über die DDR und die dortige Diktatur wüssten, warnen sie in einer gemeinsamen Resolution. „Mythen, Fake Facts und verharmlosende Deutungen“ nähmen zu.

Der stellvertretende Berliner Aufarbeitungsbeauftragte, Jens Schöne, kritisiert, dass für DDR-Geschichte insgesamt nur wenige Schulstunden vorgesehen sind. Das sei „nicht ausreichend, um auch nur annähernd adäquate Inhalte zu vermitteln“.

Der Historiker fordert, staatliches Handeln stärker in Verbindung mit individuellen Erfahrungen zu vermitteln. Dabei könne es etwa um das Verhalten der Bevölkerung zwischen Anpassung und Widerstand gehen, den jedoch nur ein geringer Teil leistete, sagt Schöne.

Auch die universitäre Ausbildung zum Thema DDR müsse gestärkt werden, forderte er. An den Hochschulen würden die zukünftigen Lehrkräfte ausgebildet. Wenn diese das Thema dort nicht hinreichend vermittelt bekämen, seien sie nicht in der Lage, es in der Schule aufzugreifen. „Hier ist die gegenwärtige Situation höchst unbefriedigend“, sagte Schöne.

Die ostdeutschen Aufarbeitungsbeauftragten beklagen, dass Familienerinnerungen neben sozialen Medien und Internet vielfach für junge Menschen die zentrale Informationsquelle zum Thema DDR seien. Die jüngste Vergangenheit werde so zu einem „Selbstbedienungsladen, aus dem Populisten und Extreme ihre Propaganda schöpfen“, heißt es in der gemeinsamen Resolution von Ende Mai.

In einem mit der Bundesstiftung Aufarbeitung, der SED-Opferbeauftragten Evelyn Zupke, und dem Verband der Geschichtslehrer erstellten Forderungskatalog heißt es unter anderem, dass die Geschichte der DDR und der deutschen Teilung prüfungsrelevant werden müsse. Der Vorsitzende des deutschen Geschichtslehrkräfteverbands, Niko Lamprecht, kritisiert, an Schulen sei das Thema über die Lehrpläne überall gedeckt, es fehle aber schlicht an Zeit.

Das Thema komme in der Sekundarstufe I meist am Ende der zehnten Klasse „manchmal arg verknappt“ in den Unterricht. In der Oberstufe werde es den Lehrplänen gemäß zwar vertiefter behandelt, aber auch dort vorwiegend am Ende der Schulzeit. Bei Zeitdruck könne es „hinten runterfallen“.

Für den Unterricht der siebten bis zehnten Klassen gelte überdies, dass „Mischmasch-Fächer“ mit Geschichte, Politik und Erdkunde als Kombi-Fach eine seriöse Behandlung des Themas vom Fach Geschichte erschweren, beklagt Lamprecht. Das „Mischmodell“ stelle zudem immer ein Problem für diejenigen Fachbereiche dar, die der jeweiligen Lehrkraft fremd sind.

Der vorhandene Unterricht sollte fachgerecht sein und könne mit mehr Unterstützung für die Lehrkräfte besser gestaltet werden. Diese bräuchten bessere Lehrbedingungen. Häufig übernähmen sie aber nebenbei Verwaltungs- und Sozialarbeiteraufgaben.

Insbesondere im Geschichts- und Politikunterricht sind laut Lamprecht bei komplexen Themen genügend Zeit und fachkundige Lehrkräfte nötig. Nur Fachkräfte seien dafür qualifiziert: „Allerdings bedarf es der Auffrischung beziehungsweise Fortbildung, auch hierfür fehlt häufig die Zeit.“ Eine Erhöhung der Stundenzahl hält er für wenig realistisch, denn dann würden ähnliche Forderungen aus anderen Fachbereichen folgen.

Die Schule und besonders der Geschichtsunterricht kann aus Sicht des Geschichtslehrkräfteverbands der Macht des Internets seriöse Information entgegensetzen. Der Wettlauf mit Social-Media-Angeboten könne kaum gewonnen werden, sagte Lamprecht. Aber im Unterricht könne darüber aufgeklärt und auf seriöse Internetportale hingewiesen werden.