Doku über drei deutsche Breakdancerinnen, die sich ganz der neuen olympischen Disziplin verschrieben haben.
Für “Jilou” stehen entscheidende Wochen an. Als das derzeit erfolgreichste deutsche B-Girl kann – das ist ihr bürgerlicher Name – Sanja Jilwan Rasul sich über die “Olympic Qualifier Series” in Shanghai und Budapest für die Olympischen Spiele 2024 in Paris qualifizieren. Es ist das erste Mal, dass mit Breakdance eine Tanzsportart olympisch wird. Jilou kann Sportgeschichte schreiben.
Wie der von Lisa Wagner inszenierte Dokumentarfilm “Dancing Heartbeats” erahnen lässt, befindet sich Jilou damit auf dem vorläufigen (sportlichen) Höhepunkt eines harten Weges und einer oftmals schwierigen Vita. Neben Jilou begleitet der Film mit Viola Luise Barner und Frieda Frost zwei weitere B-Girls durch ihren Alltag.
Jilou ist mit 31 Jahren die jüngste der drei Frauen und die Einzige, die sich noch immer ganz dem Breaking verschrieben hat, eine mögliche Olympiateilnahme fest im (Tunnel-)Blick. Die neun Jahre ältere Frieda hingegen, Pionierin der deutschen B-Girl-Szene, stößt zunehmend an die Grenzen ihres Körpers. Jede Verletzung fühlt sich wie eine Depression an. Mitten im Corona-Lockdown strandet sie in Marokko und verleiht ihrem Leben eine neue Perspektive, weg von Wettkämpfen hin zur Tanzperformance.
Anstatt selbst aktiv an “Battles” teilzunehmen, unterrichtet sie Schülerinnen, gründet eine Tanzakademie und organisiert Events. Auch Viola will sich mit Mitte 30 nicht länger in die B-Girl-Schublade stecken und vorschreiben lassen, wie sie sich zu verhalten hat. Zunehmend zweifelt sie daran, ob ihr das Breaking allein genügt. Immer mehr Elemente zeitgenössischer Tanzkunst und des brasilianischen Kampftanzes Capoeira lässt sie in ihre Choreografien einfließen.
Die Frage, was es für die drei Frauen bedeutet, in Deutschland ein B-Girl zu sein oder vielleicht auch nicht (mehr), zieht sich als roter Faden durch die Dokumentation. Während im Bildausschnitt Breaking-Battles, Tanzperformances, Trainings oder Impressionen vom Abschied am Flughafen und Einkäufe auf einem marokkanischen Markt zu sehen sind, findet die Suche nach den Antworten nahezu ausschließlich auf der Tonspur und damit im Off statt.
Auch auf einen erklärenden Erzählerkommentar verzichtet Filmemacherin Lisa Wagner. Für ein authentisches Gefühl des Miterlebens sorgt dies nur in den stärksten, aber raren Momenten des Films. Etwa, wenn Viola ihren jüngeren Bruder trifft und gemeinsam mit ihm das Grab der früh verstorbenen Mutter aufsucht. Oder wenn Jilou und ihr Freund sich streiten, weil Jilou zwar von ihm unterstützt werden möchte, aber ohne sich reinreden zu lassen. Es sind Momente intensiver zwischenmenschlicher Begegnungen, in denen die Off-Spur verstummt.
Meist jedoch berauben sich Ton und Bild gegenseitig ihrer Kraft. Die Erzählungen wirken dann episodisch, die Einstellungen illustrativ. Narrativ, ästhetisch und emotional verliert sich “Dancing Heartbeats” gleichsam in Halbtotalen, ohne eine echte Nähe zuzulassen, aber auch ohne das Gezeigte in einen Kontext einzubinden. Weder werden die Hintergründe von Hip-Hop und Breakdance noch die Historie der deutschen B-Girl-Szene beleuchtet. Nicht einmal die technischen Aspekte des Breaking werden erläutert. Der “Kampf um Anerkennung und Gleichberechtigung” in der “männerdominierten Breakdance-Welt”, von dem in den Pressematerialien vollmundig die Rede ist, wird lediglich gestreift, wenn sich die drei B-Girls darüber unterhalten, dass die meisten Break-Lehrer Männer sind und sie als Frauen einfach nach ihren “Skills” beurteilt werden wollen.
Stattdessen wiederholt der Film in einer ungeduldig-kurzatmigen Montage austauschbare Posen und Bewegungsabläufe, ohne sie einzuordnen oder auch nur (nach)wirken zu lassen. Obwohl “Dancing Heartbeats” vom Reiz, den das Breaking ausmacht, kaum mehr vermittelt als eine flüchtige Ahnung von dessen subkulturell-subversiven Wurzeln, aber auch den sexistischen Abgründen, der Machokultur, in der sich die B-Girls ihren Platz erbattlen, genügt das doch, um auf unterhaltsame Weise die Neugierde zu wecken auf ein faszinierendes, oszillierendes Kulturphänomen, aus dem im Sommer 2024 eine neue olympische Sportart hervorgeht.