Zum 150. Todestag des Dichters Fritz Reuter (1810-1874) begeht seine Heimatstadt Stavenhagen ab Freitag (12. Juli) eine Festwoche mit zahlreichen Veranstaltungen. Der bedeutendste Dichter des Niederdeutschen wurde 1810 in der mecklenburgischen Kleinstadt als Sohn des Bürgermeisters geboren. Ein „übermächtiger Vater“, sagt der Leiter des Stavenhagener Literaturmuseums, Torsten Jahn. Der eher musisch begabte Junge genügte dessen strengen Ansprüchen selten: „Fritz Reuter brauchte lange, um sich von ihm zu emanzipieren. Umso bewundernswerter ist es, dass er zum auflagenstärksten Autor seiner Zeit wurde und heute als Begründer der niederdeutschen Literatur gilt.“
Reuter studierte auf Wunsch des Vaters Jura, in Rostock und Jena. Dort schloss er sich der damals fortschrittlich-liberalen Burschenschaft Germania an. „Reuter war durch und durch Demokrat und zahlte einen hohen Preis dafür“, erklärt Jahn. Als Staatsverräter wurde er mit 23 Jahren zum Tode verurteilt. Das Urteil wurde zu 30 Jahren Festungshaft gemildert, von denen er sieben verbüßte.
Die katastrophalen Haftbedingungen beschreibt er später in seinem Werk „Ut mine Festungstied“. Zeitlebens hatte Reuter körperlich mit den Folgen zu kämpfen: mit Rheuma, Depressionen und später dem Alkoholismus. „Was aber auch blieb, ist der zielsichere Blick auf die Sorgen und Nöte der kleinen Leute“, erklärt Jahn.
Ab 1842 wurde er Volontär bei einem Gutspächter, begann zu schreiben. Die Verbindung zu Louise Kuntze, der Tochter eines Pastors, brachte Stabilität in sein Leben, glaubt Christian Voss vom mecklenburgischen „Arbeitskring Plattdüütsch in de Kirch“. „Ihr gelang es, den auch streitbaren und aufbrausenden Reuter zu lenken und zu ertragen.“
1857 erschien das sozialkritische Versepos „Kein Hüsung“ über die Willkür des Adels und die Not einfacher Landarbeiter. „Themen wie Migration und Aussiedlung behandelt er hier mit großer Allgemeingültigkeit“, sagt Museumsleiter Jahn über die Aktualität des Reuterschen Werkes. Weitere Hauptwerke sind die autobiografische Züge enthaltenden Bücher „Ut mine Stromtied“ und „Ut de Franzosentied“.
1863 zog Reuter nach Eisenach. Der inzwischen etablierte Autor ließ an der Wartburg eine großzügige Villa erbauen, heute ebenfalls Reutermuseum. Reuter, gezeichnet durch Krankheit, verstarb hier am 12. Juli 1874.
Neben dem oft satirischen Grundton gelang Reuter in allen seinen Werken auch die liebe- und humorvolle Schilderung seiner Figuren und eine feinsinnige Bestimmung des mecklenburgischen Gemüts. Ebenso schuf er komische Literatur: „Hanne Nüte un de lütte Pudel“ etwa, und die Sinnbild gewordene Figur des „Inspektor Bräsig“ – „der aber dennoch tiefgründige Züge besitzt“, betont Christian Voss.
Reuter verfasste seine Werke auf Niederdeutsch, in zwölf Sprachen seien sie übersetzt worden. Bemerkenswert sei auch, dass seine plattdeutschen Werke auch im süddeutschen Raum in der norddeutschen Mundart gelesen wurden. „Millionen von Lesern in Berlin, München, Zürich oder Wien beschäftigten sich mit dem Plattdeutschen, um Reuter zu lesen“, sagt Jahn.
Um Reuters Aktualität in den Fokus zu rücken, geht das Fritz-Reuter-Literaturmuseum in Stavenhagen neue, digitale Wege. Ein virtueller Stadtspaziergang wird angeboten, möglich von überall, wo es Internet gibt, erklärt Jahn. „An allen Reuterstätten in MV sollen Hörstationen entstehen, sodass er der erste Dichter wird, dem man an allen Originalstätten nachspüren kann“.
Derzeit zeigen Jugendliche im Museum ihre Reuter-Adaptionen in der Ausstellung „Neue Farben für alte Worte“. Die Festwoche beginnt am Freitag (12. Juli, 16.30 Uhr) mit einer Ehrung vor dem Reuterdenkmal. Am 12. und 13. Juli führen jeweils um 20 Uhr Menschen aus Stavenhagen Reuters „Kein Hüsung“ auf Hochdeutsch als Laienspiel auf dem Marktplatz auf.