Landwirte bauen in Deutschland schon seit 1996 Nutzhanf an, unter strengen Auflagen. Eine staatlich-professionelle Ausbildung fehlt bislang. Die Fachhochschule Erfurt will das nun ändern – mit eigenem Studienschwerpunkt.
Seit dem 1. April ist das Cannabisgesetz in Kraft: Der private Konsum ist teilweise erlaubt. Für den Privatgebrauch dürfen Erwachsene bis zu drei Pflanzen zu Hause anbauen. Dabei ist Hanf nicht nur etwas für Hobbygärtner. Deutsche Landwirte bauen bestimmte Sorten schon seit den 1990er Jahren an. Die Fachhochschule Erfurt will das nun auf den Lehrplan setzen: Ab dem kommenden Wintersemester können sich Erstsemester im Bachelorstudiengang “Gärtnerischer Pflanzenbau” auf Cannabisanbau spezialisieren. Im dritten Semester lernen sie, wie sich die Pflanzen züchten und vermehren lassen; Praktika können sie bei Hanfbauern machen.
Bislang gibt es in Deutschland an staatlichen Hochschulen keine spezielle Ausbildung. “Durch Prohibition war eine professionelle Forschung im Hanfanbau in Deutschland bislang nicht möglich”, sagt Studiengangsleiter Wim Schwerdtner. “Wir wollen diese nun auf eine wissenschaftliche Ebene stellen und Standards entwickeln.”
Auf dem Campusgelände in Erfurt ist ein Versuchsgewächshaus für Cannabispflanzen geplant – aus sicherheitstechnischen Gründen nur THC-freie Pflanzen, sagt Schwerdtner. Die Biologie der Pflanzen sei die gleiche. Nur die Verwendung unterscheide sich: Faserhanf lässt sich weiterverarbeiten zu Kleidung, Nahrungsmitteln oder Kosmetika. THC-haltiger Medizinhanf dient unter anderem der Schmerztherapie; Konsumhanf ist ein Genussmittel.
Das Interesse an Gartenbaustudien hat in den vergangenen fünf Jahren deutlich abgenommen. Die Zahl der Studierenden entsprechender Studiengänge ging deutschlandweit laut Bundeslandwirtschaftsministerium durchschnittlich um mehr als zehn Prozent zurück. “Wir standen deshalb vor der Frage, für welche Zielgruppen unser Angebot interessant sein könnte”, sagt Studiengangsleiter Schwerdtner. “Nach der Teillegalisierung von Cannabis sahen wir ein wachsendes Interesse an professionellem Anbau.”
Hanf wurde als Kulturpflanze auf heute deutschem Gebiet schon im Mittelalter angebaut – damals noch als Material für die Herstellung von Textilien. Ab dem 18. Jahrhundert ging der Anbau zurück. Cannabis fand in der Medizin weiterhin Verwendung als Arzneimittel, geriet aber als Rauschmittel immer mehr in Verruf. 1929 wurde Cannabis schließlich verboten. Seit 1996 dürfen Landwirte in Deutschland Industriehanf anbauen – unter strengen Auflagen: Erlaubt sind nur Sorten mit einem geringem THC-Wert.
Ein eigener Studiengang ist in Erfurt nicht geplant, sagt Schwerdtner. “Wir möchten erst einmal ausprobieren, wie der neue Schwerpunkt ankommt.” Spezielle Lehrveranstaltungen dienen der Spezialisierung. “Unser Angebot umfasst zum Beispiel Kurse in Biologie, Kultivierung und Pflanzengesundheit von Cannabis”, sagt Schwerdtner. Und: “Produzenten sollen möglichst hohe Erträge erzielen können.”
In Deutschland sieht er gute Anbaubedingungen. “Hanf hat sehr geringe Ansprüche, wächst schnell und mag am liebsten mittelschwere Böden”, sagt Schwerdtner. “Er verträgt keine Staunässe, kann keinen Frost ab. Aber man kann eigentlich nicht viel falsch machen. Komplizierter wird es, wenn man bestimmte Aspekte, zum Beispiel den THC-Gehalt, optimieren möchte.”
Die genaue Zahl der Erstsemester im Bereich Cannabisanbau steht noch nicht fest. Die Bewerbungsfrist in Erfurt läuft noch bis Mitte September. Der Bereich Gartenbau ist momentan ausgelegt auf 75 Erstsemester. “In den letzten Jahren haben wir diese Zahl nicht ganz erreicht”, sagt Schwerdtner. “Seit der Einführung unseres Schwerpunkts in Cannabisanbau aber sehen wir einen stärkeren Zuwachs an Studienbewerbern.”
Das Interesse könnte in Zukunft weiter steigen. Der Anbau von Nutzhanf ist gesetzlich immer noch streng reguliert. Die sogenannte Rauschklausel im Konsumcannabisgesetz verbietet den gewerblichen Anbau von Cannabis, wenn er “zu Rauschzwecken” missbraucht werden kann. Das Cannabisgesetz hat darauf vorerst keinen Einfluss. Für 2025 plant die Bundesregierung allerdings, den Anbau zu erleichtern. Die “Rauschklausel” soll dann entfallen.