Ein paar Klicks mit dem Handy, schon ist der Einkauf nach Hause bestellt. Für viele Menschen steige dadurch das Risiko, kaufsüchtig zu werden, sagt die Suchtexpertin Anne Köhler im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Für die Suchtberatung der Diakonie im Oldenburger Land bietet sie seit Kurzem Hilfe für Menschen an, die ihr Kaufverhalten nicht mehr richtig kontrollieren können. Mittlerweile seien rund fünf Prozent der deutschen Bevölkerung stark kaufsuchtgefährdet, sagt sie.
epd: Frau Köhler, woran erkenne ich, ob ich kaufsuchtgefährdet bin?
Anne Köhler: Viele Betroffene kaufen unkontrolliert unvernünftige und unnötige Dinge ein. Oft beschäftigen sie sich den ganzen Tag über mit dem Kauf und überlegen, wann sie am Abend Zeit haben, um zu shoppen. Das Verlangen, irgendwas zu kaufen, ist sehr groß.
Wie bei allen Süchten geht es in erster Linie darum, negative Emotionen wie etwa Ärger, Einsamkeit oder Frust zu kompensieren. In diesem Fall funktioniert das Belohnungssystem, indem ich den Warenkorb fülle und auf „bestellen“ klicke. Das Gehirn schüttet Dopamin aus und löst ein „Kauf-dich-glücklich-Gefühl“ aus. Die innere Anspannung fällt kurzfristig weg und die Betroffenen erfahren eine Art „Kick“. Auch dies kann ein Frühwarnsignal sein.
epd: Was sind die Folgen dieser Sucht?
Köhler: In den meisten Fällen geht es gar nicht um den Besitz oder den Nutzen einer Ware. Betroffene berichten oft, dass das schlechte Gewissen einsetzt, wenn der Bote die Pakete abliefert. Häufig werden die Pakete nicht einmal geöffnet und stapeln sich, weil Rücksendefristen verstrichen sind. Nicht selten steht am Ende die Privatinsolvenz.
Eine Gefahr geht auch von den Online-Bezahldiensten aus. Beim Bestellvorgang muss ich kein Geld aus meinem Portemonnaie nehmen. Zudem sind die Beträge zunächst überschaubar: 18,95 Euro hier, 24,99 Euro dort, beim nächsten Online-Händler wird gleich die Bezahlung in kleinen Raten angeboten oder die Bezahldienste locken mit Ratenzahlung. Doch zum Schluss addieren sich die scheinbar kleinen Beträge zu Summen auf, die von den Betroffenen nicht mehr bewältigt werden können.
epd: Wie kann ich diesem Teufelskreis entfliehen?
Köhler: Unverzichtbar ist eine eigene Motivation. Unterstützung bieten Beratungsstellen, etwa bei der Diakonie, oder Selbsthilfegruppen. Ein erster Schritt kann auch sein, sich einer Bezugsperson anzuvertrauen. Schalten Sie alle Newsletter von Einkaufplattformen zumindest vorübergehend ab, damit sogenannte Sonderangebote Sie nicht in Versuchung führen können. Hilfreich sind auch Kaufprotokolle, um den Überblick zu behalten. Verzichten Sie auf Ratenzahlungen und nutzen Sie nach Möglichkeit Bargeld. Und schaffen Sie sich Alternativen zum Kauf: Treiben Sie Sport, hören Sie Musik oder treffen Sie sich mit Freunden.