Hinterbliebene von afrikanischen Ovaherero und Nama sollten nach Worten einer Expertin stärker in die Aufarbeitung des Völkermordes einbezogen werden. Derzeit sprächen mit Deutschland und Namibia zwei Staaten miteinander, “ohne wirklich jene einzubeziehen, deren Familien vom Genozid betroffen waren”, sagte Marcella Katijijova im Interview der Zeitschrift “Psychologie Heute” (Januar-Ausgabe). Sie ist psychologische Beraterin im namibischen Arbeitsministerium.
Katijijova hat auch die Dreharbeiten des Historiendramas “Der vermessene Mensch” begleitet, der im Frühjahr in den deutschen Kinos zu sehen war. Insbesondere die Laiendarsteller hätten mitunter panikartige Reaktionen gezeigt oder seien in Schockzustände geraten, erläuterte sie: “Wir sprechen von einem intergenerationalen Trauma.” Wie Traumata über Generationen weitergegeben würden, beginne die Forschung “erst jetzt richtig zu verstehen”.
Menschen brauchten Orte zum Trauern, Gedenkfeiern und auch eine Diskussion darüber, “wie eine Wiedergutmachung tatsächlich aussehen kann”, mahnte die Expertin. Dazu gehöre etwa, “dass mehr Kinder Zugang zu guter Bildung erhalten” und auch in den Schulen mehr über den Völkermord lernten. “So verliert das Thema etwas an Schmerzhaftigkeit und die jungen Menschen werden schon früh sensibilisiert. Sie lernen die Geschichte richtig, nicht nur durch das Erzählen in den Familien.”
Desweiteren forderte Katijijova “ein richtiges Museum, in das zum Beispiel all die geraubten Dinge nach Hause zurückkehren können”. Bislang gebe es “nicht einmal ordentliche Gräber für unsere Ahnen”. Die persönliche Geschichte reiche tiefer und weiter zurück, als vielen Menschen klar sei: “Ich als Person muss heilen, damit es meinen Kindern besser geht.” Solche Möglichkeiten fehlten in Namibia bislang.
Namibia war von 1884 bis 1915 deutsche Kolonie. Zwischen 1904 und 1908 verübten die Kolonialtruppen einen Völkermord in dessen Folge zwischen 40.000 und 60.000 Herero sowie etwa 10.000 Nama getötet wurden. Gemäß der “Gemeinsamen Erklärung” zwischen den beiden Ländern sollen in den kommenden 30 Jahren rund 1,1 Milliarden Euro in Wiederaufbau- und Entwicklungsprojekte in Namibia fließen.