Deutschland das “Bordell Europas”? Kritiker gehen mit dem Prostituiertenschutzgesetz mitunter hart ins Gericht. Experten kommen aber zu einer anderen Bewertung; ein Hilfswerk fordert sogar noch mehr.
Das umstrittene Prostituiertenschutzgesetz kann sich aus Sicht von Experten in Deutschland durchaus noch bewähren. Das 2017 eingeführte Gesetz habe Schwächen, die aber behoben werden könnten, heißt es im Bericht einer Expertengruppe, den diese am Dienstag an Bundesfamilienministerin Karin Prien (CDU) übergeben hat. Entgegen der Ansicht vieler Kritiker sei das Gesetz damit nicht gescheitert. Das katholische Osteuropahilfswerk Renovabis sieht allerdings immer noch gesetzliche Schwachstellen im Schutz von Prostituierten.
Seit 2002 ist Prostitution in Deutschland nicht mehr sittenwidrig. Mit dem Prostituiertenschutzgesetz wurde die Ausübung neu geregelt und wieder strenger reglementiert. Freiwillige Prostitution ist demnach in Deutschland weiter grundsätzlich legal, es gibt aber rechtliche Regelungen. Zwangsprostitution und Menschenhandel zur sexuellen wie auch anderer Ausbeutung sind demnach verboten und strafbar. Ziel des Prostituiertenschutzgesetzes war es, die sexuelle Selbstbestimmung und Arbeitsbedingungen von Prostituierten sowie ihren Schutz vor Zwang und sexueller Ausbeutung zu stärken.
Mit der nun vorgelegten Evaluation war das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen beauftragt worden. Die Experten sollten Erfahrungen aus Ländern, Verbänden und von Prostituierten selbst berücksichtigen. Die Autoren kritisieren unter anderem, dass die Hürden für eine geforderte Anmeldung von Prostituierten sehr hoch seien und es deswegen weiterhin sehr viele illegale Prostituierte gebe. Bei denjenigen, die angemeldet seien, gebe es aber Anhaltspunkte dafür, dass Mindestanforderungen an Arbeitsbedingungen eingehalten würden.
Die 600 Seiten lange Expertise soll als Grundlage für eine weitere Auseinandersetzung mit dem Thema Prostitution in Deutschland dienen. So soll nun eine Kommission weiter über die Ergebnisse der Expertengruppe beraten.
Unterdessen erklärte Renovabis, dass ein grundlegender Kurswechsel nötig sei. Die Strafbarkeit von Freiern sei einer erster Schritt, um die Nachfrage zu reduzieren und die dramatische Situation in Deutschland zu verbessern. Die Studie zeige, dass es gravierende Lücken beim Schutz der Betroffenen gebe. Das System versage darin, die Schwächsten wirksam zu schützen.
Das Hilfswerk warb für das sogenannte Nordischen Modell. Dies stellt demnach den Kauf sexueller Dienstleistungen sowie deren organisierte Vermittlung unter Strafe – entkriminalisiert aber die Prostituierten selbst und bietet ihnen umfassende Unterstützung beim Ausstieg und Neuanfang, betonte das Hilfswerk. Das Modell habe sich in mehreren europäischen Ländern, angefangen in Teilen Skandinaviens, als wirksam erwiesen. Ebenfalls am Dienstag übergab der Erfurter Wissenschaftler Jakob Drobnik dem Bundestag eine Studie, in der er die Wirkung des Nordischen Modells in Schweden, Norwegen und Frankreich untersucht hat. Er kommt zu dem Schluss, dass dort Menschenhandel und Prostitution zurückgegangen seien.