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Evangelische Events an ungewöhnlichen Orten boomen

Vom Gottesdienst zum Event: Die evangelische Kirche setzt verstärkt auf Veranstaltungen an ungewöhnlichen Orten. Wie kommt das bei den Menschen an? Ein Ortsbesuch bei einem großem Tauffest in Bonn.

Mehr als 250 Kinder, Jugendliche und Erwachsene sind am Samstag bei einem grossen Tauffest in der Bonner Rheinaue getauft worden
Mehr als 250 Kinder, Jugendliche und Erwachsene sind am Samstag bei einem grossen Tauffest in der Bonner Rheinaue getauft wordenepd-bild / Meike Boeschemeyer

“Das war cool. Aber ich war auch aufgeregt”, sagt der sechs Jahre alte Jonas über seine Taufe. Am vergangenen Samstag waren er und seine Schwester Ida (1) zwei von rund 260 evangelischen Täuflingen, die das Sakrament in der Bonner Rheinaue unter freiem Himmel empfingen. Mit dabei: Seine Eltern, seine großen Schwestern und rund 4.000 weitere Gäste. Das Tauf-Fest war laut der evangelischen Kirche eines der größten seiner Art in Deutschland.

“Es hat was von einem Musikfestival”, sagt Jonas’ Vater Daniel Birk. Tatsächlich finden auf dem Gelände für gewöhnlich Konzerte statt. Wo sich sonst Musikgrößen wie ZZ Top, Bushido und Sting die Klinke in die Hand geben, “performen” an diesem Samstag auf und vor der großen Bühne über 50 evangelische Geistliche und taufen Kinder, Jugendliche und Erwachsene – auf Wunsch sogar mit Rheinwasser. Auch der höchste Vertreter der evangelischen Kirche im Rheinland, Präses Thorsten Latzel, ist dabei und unterstützt seine Kollegen.

Die Taufen in kleinen Gruppen übernahmen 50 Pfarrerinnen und Pfarrer, Vikare, Prädikantinnen und Diakone sowie der rheinische Präses Thorsten Latzel
Die Taufen in kleinen Gruppen übernahmen 50 Pfarrerinnen und Pfarrer, Vikare, Prädikantinnen und Diakone sowie der rheinische Präses Thorsten Latzelepd-bild / Meike Boeschemeyer

Die Stimmung bei den Gästen ist gelöst, die Kinder laufen herum, Familien picknicken im Sonnenschein und auf der Bühne wird Livemusik zum Taufgottesdienst gespielt. Für Daniel Birk eine willkommene Abwechslung zur herkömmlichen Taufe in einer Kirche: “Es ist schön, so offen mit allen Leuten zu feiern. Ich finde es wichtig, dass die Kirche hier auch auf die Jugend eingeht und moderner wird. Das macht Spaß.”

Tauffest unter dem Motto “Dich hat der Himmel geschickt”

Das Tauffest in Bonn stand unter dem Motto “Dich hat der Himmel geschickt”. Eingeladen hatten die evangelischen Kirchenkreise Bad Godesberg-Voreifel, Bonn und An Sieg und Rhein. Die Idee kommt aus Köln, wo die evangelischen Kirchenkreise schon 2022 ein ähnliches Tauffest aufgezogen hatten. Für das erste Fest in Bonn hatte die Godesberger Superintendentin Claudia Müller-Bück nicht mit einem solchen Erfolg gerechnet: “Dass es so groß wird, hätten wir vorher nicht gedacht. Am Anfang hatten wir noch Sorge, ob wir das große Gelände überhaupt füllen.” Doch der Aufwand habe sich gelohnt. “Ich dachte mir beim Gottesdienst wirklich: So ist das damals gewesen, bei der Speisung der 5.000”, sagt sie in Anspielung auf die biblische Erzählung einer Brotvermehrung durch Jesus.

Das Tauffest in Bonn stand unter dem Motto "Dich hat der Himmel geschickt"
Das Tauffest in Bonn stand unter dem Motto "Dich hat der Himmel geschickt"epd-bild / Meike Boeschemeyer

Für die Zukunft kann Müller-Bück sich auf jeden Fall eine Neuauflage vorstellen: “Wir haben noch keine konkreten Pläne für das nächste Mal. Aber wir merken hier, mit solchen Veranstaltungen erreicht man die Menschen.” Im vergangenen Jahr sind bundesweit rund 380.000 Menschen aus der evangelischen Kirche ausgetreten. In solchen Zeiten seien innovative Konzepte wie ein Tauffest wichtig, meint Müller-Bück: “Wir erleben, dass Menschen aus der Kirche austreten und keinen Bezug mehr dazu haben. Da muss man dranbleiben. Weniger in den Kirchen und mehr miteinander rausgehen. Das bleibt.”

Auch Daniel Birk glaubt, mit Events wie diesem könne die Kirche den Menschen wieder näherkommen: “Es sollte definitiv mehr solcher Veranstaltungen geben. Die Kirche hat letztendlich auch Verluste zu verbuchen. Ich denke, so kann man wieder mehr Leute zum Gottesdienst locken.” Bei einer Neuauflage wolle er mit seiner Familie auf jeden Fall wieder dabei sein – auch wenn schon alle getauft sind.

“Es ist mal was anderes”

Birks Frau Julia sieht das als einzige Katholikin der Familie ähnlich. “Es ist mal was anderes. Unsere beiden Ältesten wurden herkömmlich getauft. Aber als ich die Werbung für das Fest gesehen habe, habe ich uns sofort angemeldet.” Statt dem üblichen Kaffeekränzchen nach dem Kirchgang zur Taufe, seien ein Picknick mit Livemusik und ein Freiluftgottesdienst mit tausenden Besuchern einfach erfrischend.