Luxemburg – Der Generalanwalt Evgeni Tanchev am Europäischen Gerichtshof (EuGH) sieht die Einstellungspraxis kirchlicher Arbeitgeber in Deutschland kritisch. Der Ausschluss nicht-christlicher Bewerber bei der Vergabe von Jobs müsse im Einzelfall auf den Prüfstand, erklärte er in Luxemburg. „Je weniger eine Tätigkeit mit dem Verkündigungsauftrag des kirchlichen Arbeitgebers zu tun hat, desto weniger dürfe dieser Andersgläubige oder Konfessionslose benachteiligen“, so Tanchev in seinem Gutachten.
In einem Fall aus Deutschland befand der Generalanwalt, der als einer von acht den EuGH bei der Entscheidungsfindung unterstützt, dass religiöse Organisationen wie das Evangelische Werk für Diakonie und Entwicklung zwar grundsätzlich zu einer Ungleichbehandlung von Stellenbewerbern mit Blick auf Religion oder Weltanschauung berechtigt seien. Zugleich aber müssten Entscheidungen des Arbeitgebers von Gerichten geprüft und im Einzelfall zurückgewiesen werden können. Hier komme es wesentlich auf die genaue Tätigkeit der ausgeschriebenen Stelle an. (AZ: C-414/16)
Der Schlussantrag des Luxemburger Generalanwalts könnte nach Ansicht des Bochumer Arbeitsrechtlers Jacob Joussen Folgen für die Kirchen haben. Erfreulich für sie sei, dass der Generalanwalt das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen grundsätzlich anerkannt habe, sagte der Jura-Professor. Problematisch für sie sei aber, dass das bisherige Verlangen nach Kirchenmitgliedschaft – „nämlich unterschiedslos für alle Berufstätigkeiten“ – so nicht mehr zu halten sein könnte, sagte Joussen, der auch dem Rat der EKD angehört.
Der Schlussantrag ist zwar nicht bindend für den EuGH, dessen Urteil in einigen Monaten erwartet wird, in vielen Fällen folgt er jedoch dem Generalanwalt. Stellt sich im weiteren Verfahren heraus, dass nach EU-Recht im konkreten Fall eine Diskriminierung gegeben ist, nach deutschem Recht aber nicht, kann die Klägerin von Deutschland für die fehlende Umsetzung europäischen Rechts eine Entschädigung verlangen. epd/KNA/UK
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