Kunstsachverständige und Restauratoren versuchen ein drohendes Blei-Verbot durch die EU abzuwenden, das unter anderem den Erhalt historischer Kirchenfenster und Orgeln gefährden würde. Nach dem Willen der Europäischen Chemikalien-Agentur ECHA soll metallisches Blei auf die Liste zulassungspflichtiger Werkstoffe gesetzt werden; damit wäre seine Verwendung künftig nur noch mit aufwendigen Sondergenehmigungen möglich. Eine am Donnerstag in Brüssel vorgetragene Petition warnt vor Risiken für das kulturelle Erbe in der EU.
Der Kunsthistoriker Ivo Rauch, Spezialist für mittelalterliche Glasmalerei und Gutachter auf diesem Gebiet, betonte vor dem Petitionsausschuss des Europäischen Parlaments, Blei sei aufgrund seiner Materialeigenschaften nach wie vor unersetzlich bei der Gestaltung, Erhaltung und Restaurierung von Kulturgütern. Dabei verwies er neben der über 1.000-jährigen Tradition von Bleiverglasungen in Kirchen auf den Instrumentenbau und den Einsatz des Metalls in der Restaurierung von Natursteingebäuden wie der Pariser Kathedrale Notre-Dame, aber auch von Oldtimern.
Die betreffenden Verfahren kämen nur als hochspezialisierte Nischenanwendungen vor; schon jetzt seien dafür detaillierte Arbeitsschutz- und Verarbeitungsvorgaben in Kraft, so Rauch. Einige traditionelle Techniken, etwa die Arbeit an Pfeifenorgeln oder der Druck mit Bleitypen, genössen ihrerseits den Schutz der Unesco als Immaterielles Kulturerbe der Menschheit. Laut Petition macht die für Kulturgüter eingesetzte Bleimenge nur einen Promille-Anteil des jährlichen Verbrauchs in der EU aus.
Die Chemikalien-Behörde ECHA hatte ein Bleiverbot ursprünglich nur für Jagdmunition und Angelgewichte vorgeschlagen. Im April weitete sie ihre Empfehlung an die EU-Kommission aber auf alle Anwendungsbereiche aus. Käme Blei in diesem Sinn auf die sogenannte REACH-Liste genehmigungspflichtiger Stoffe, dürfte es nur noch von eigens zertifizierten Betrieben oder nach einer projektbezogenen Einzelgenehmigung verwendet werden.
Der Kunstsachverständige Rauch verwies darauf, bei den in diesem Bereich arbeitenden Spezialisten handele es sich zumeist um Soloselbständige oder kleine Betriebe. Diese wären personell wie finanziell kaum in der Lage, die langwierigen und teuren behördlichen Verfahren zu absolvieren.
Der Europaabgeordnete Peter Jahr (CDU) forderte von der EU-Kommission eine “praxistaugliche Lösung”; andernfalls würden Bürger von der EU entfremdet.