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EU-Innenminister bringen Asylrechtsverschärfungen auf den Weg

Europas Innenminister wollen in der Migrationspolitik einen deutlich härteren Kurs einschlagen. Weniger Menschen sollen künftig Chancen auf Asyl haben, Verfahren sollen verstärkt außerhalb der EU stattfinden, Abschiebungen schneller möglich sein und die Lasten unter den Mitgliedstaaten neu verteilt werden. Am Montag brachten die EU-Innenminister in Brüssel einen umfangreichen Maßnahmenkatalog auf den Weg. „Wir stehen an einem Wendepunkt der Asyl- und Migrationspolitik“, sagte EU-Migrationskommissar Magnus Brunner. Zwar sei die irreguläre Migration innerhalb eines Jahres um 35 Prozent zurückgegangen, dennoch bleibe der Druck auf die Asylsysteme hoch. „Deshalb ist es gut, dass wir heute neue Werkzeuge hinzufügen.“

Auch Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) sprach von einer entscheidenden Weichenstellung. „Wir erleben heute ein europäisches Momentum“, sagte er. Konkret drehten die Innenminister am Montag an vier Stellschrauben.

Die Minister stimmten dem Vorschlag der EU-Kommission für ein Gemeinsames Europäisches Rückkehrsystem zu. Ziel ist es, Abschiebungen zu vereinfachen und zu beschleunigen.

Mit der sogenannten Rückführungsverordnung soll erstmals ein EU-weites Rückführungssystem etabliert werden. Durch die gegenseitige Anerkennung von Rückkehrentscheidungen können Mitgliedstaaten die Entscheidungen anderer Staaten direkt durchsetzen – ohne ein neues Verfahren einzuleiten. Das soll Ausreisepflichtigen signalisieren, dass sie Rückführungen nicht durch den Wechsel in einen anderen EU-Staat umgehen können.

Für Betroffene gelten strenge Pflichten: Sie müssen mit den Behörden kooperieren, sonst drohen Leistungskürzungen, der Entzug von Arbeitserlaubnissen oder strafrechtliche Maßnahmen bis hin zu Haft. Personen, die ein Sicherheitsrisiko darstellen, können mit längeren oder sogar unbegrenzten Einreiseverboten sowie Haft rechnen. Zudem sollen Rückführungszentren in Drittstaaten ermöglicht werden.

Europäische Kirchen, Hilfswerke und Amnesty International warnen vor einem repressiven Kurs. Besonders umstritten sind die Rückführungszentren in Drittstaaten.

Zudem gaben die Innenminister der Überarbeitung des Konzepts sicherer Drittstaaten grünes Licht. Asylanträge können künftig leichter als unzulässig abgelehnt werden, wenn Schutz bereits in einem sicheren Nicht-EU-Staat möglich ist. Eine Verbindung zwischen Antragsteller und Drittstaat ist dafür nicht mehr zwingend. Die Durchreise durch ein Drittland genügt oder es besteht ein Abkommen über die Bearbeitung von Asylanträgen mit einem Drittstaat.

Schutzsuchende können demnach auch in Länder abgeschoben werden, in denen sie noch nie waren. Auch dieser Vorschlag verweist auf die Möglichkeit, Rückführungszentren in Drittstaaten einzurichten. Abgelehnte Asylbewerber dürfen während eines Einspruchs nicht automatisch in der EU bleiben.

Erstmals hat die EU auch eine gemeinsame Liste sicherer Herkunftsländer festgelegt. Damit sollen Menschen schneller nach Ägypten, Marokko, Tunesien, Indien, Kosovo, Bangladesch oder Kolumbien abgeschoben werden können. Für Asylbewerber aus diesen Staaten sollen beschleunigte Verfahren möglich sein, etwa direkt an Grenzen oder in Transitbereichen. Auch EU-Beitrittskandidaten gelten grundsätzlich als sicher, sofern keine Kriegs- oder gravierenden Menschenrechtsrisiken bestehen.

Die EU-Innenminister haben sich zudem auf einen Solidaritätspool zur Verteilung von Schutzsuchenden innerhalb der EU geeinigt. Im kommenden Jahr sollen 21.000 Personen aus solchen EU-Staaten umverteilt werden, die unter besonders hohem Migrationsdruck stehen. EU-Staaten, die keine Schutzbedürftigen aufnehmen wollen, können auch finanzielle Hilfe leisten.

Laut einem Bericht der EU-Kommission stehen Zypern, Griechenland, Italien und Spanien unter besonders hohem Migrationsdruck. Sie sollen daher von den Solidaritätsmaßnahmen profitieren. Welche Länder Schutzsuchende aufnehmen sollen, teilte der Rat zunächst nicht mit. EU-Migrationskommissar Brunner hatte bereits erklärt, dass Deutschland voraussichtlich keine weiteren Solidaritätsmaßnahmen erbringen muss.

Die EU-Staaten müssen sich jeweils noch mit dem Europäischen Parlament auf den endgültigen Rechtstext einigen.