Gesundheit ist ein teures Gut. Und in der alternden Gesellschaft wird sie immer teurer. Die Chefin des Ethikrats denkt darüber nach, welche Ausgaben sich die Gesellschaft auf Dauer noch leisten kann.
Das deutsche Gesundheitswesen steht nach Auffassung der scheidenden Vorsitzenden des Deutschen Ethikrats, Alena Buyx, vor gravierenden Richtungsentscheidungen. Angesichts von teurer Hightechmedizin, Fachkräftemangel und einer alternden Gesellschaft gerate die medizinische Versorgung zunehmend unter Druck. “Es kann auch auf uns zukommen, dass wir uns eben nicht mehr alles werden leisten können”, warnte die Professorin für Ethik der Medizin und Gesundheitstechnologien an der TU München im Interview der “Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung”.
“Gesundheit ist ein essenzielles Gut neben anderen, wir brauchen auch Schulen, Renten, Sicherheit”, fügte sie hinzu. 1990 habe sich der Anteil der Gesundheitsausgaben am Bruttoinlandsprodukt um die zehn Prozent belaufen, jetzt seien es 13. “Das ist eine knackige Steigerung.”
Das deutsche Gesundheitssystem gehört Buyx zufolge zur Weltspitze. Bisher profitiere hierzulande jeder Patient auch von neuesten medizinischen Entwicklungen: “Im Prinzip gab es für jeden mehr oder weniger alles”, sagte sie. Das sei auf Dauer aber nicht mehr leistbar.
Buyx sprach sich dafür aus, über Schwerpunktsetzungen nachzudenken, wie es beispielsweise in Schweden schon geschehen sei. Dazu brauche es transparente Kriterien für die Zuteilung von Leistungen. So stelle sich die Frage, ob sehr teure Behandlungen sinnvoll seien, wenn sie nur wenige Tage Lebensverlängerung brächten.
Die Medizinethikerin verwies auch auf den Stellenwert von Vorbeugung und Eigenverantwortung für die Gesundheit. “Sogar im fünften Sozialgesetzbuch steht, dass Menschen mitverantwortlich sind für ihre Gesundheit, über Lebensführung und Teilnahme an Prävention.” Denkbar sind aus ihrer Sicht etwa Anreizsysteme für Vorbeugung. Jeder einzelne müsse sich fragen: Was kann ich vorbeugend tun, damit ich möglichst lange nicht pflegebedürftig werde? Auch finanzielle Vorsorge könnte wohl zukünftig wichtiger werden, jedenfalls für diejenigen, die sich das leisten können.
Am solidarischen Fundament der Gesundheitsversorgung will die Medizinethikerin indessen auf keinen Fall rütteln. “Ein solidarisches Gesundheitssystem ist volkswirtschaftlich eine gute Sache, es ist sozial eine gute Sache, es ist in jeder Hinsicht eine gute Sache”, betonte sie.
Alena Buyx gehört dem Deutschen Ethikrat seit 2016 an. Nach dem Ende ihrer zweiten Amtszeit als Vorsitzende scheidet sie Ende April turnusgemäß aus.