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Erneut neuer Höchststand bei Kindeswohlgefährdungen in Deutschland

Sie werden körperlich vernachlässigt, erleben keinen emotionalen Halt, werden geschlagen oder sexuell missbraucht: Die gemeldete Zahl der Kindeswohlgefährdungen ist 2024 erneut gestiegen auf einen neuen traurigen Rekord.

Die Zahl der Kindeswohlgefährdungen in Deutschland hat 2024 zum dritten Mal in Folge einen neuen Höchststand erreicht. Wie das Statistische Bundesamt am Montag mitteilte, stellten die Jugendämter bei mindestens 72.800 Kindern oder Jugendlichen eine Kindeswohlgefährdung durch Vernachlässigung, psychische, körperliche oder sexuelle Gewalt fest.

Das waren rund 5.500 Fälle oder gut 8 Prozent mehr als im Jahr zuvor (67.300). Innerhalb der letzten fünf Jahre sei die Zahl somit um 17.300, also um fast ein Drittel (31 Prozent) gestiegen, fügte das Amt hinzu. 2019, also im Jahr vor Ausbruch der Corona-Pandemie, habe es rund 55.500 Fälle gegeben.

Etwa jedes zweite von einer Kindeswohlgefährdung betroffene Kind (52 Prozent) war nach Angaben des Statistischen Bundesamts jünger als 9, jedes dritte (33 Prozent) sogar jünger als 6. Im Schnitt habe das Alter bei 8,3 Jahren gelegen.

Die meisten betroffenen Minderjährigen lebten bei beiden Eltern gemeinsam (38 Prozent) oder bei einem alleinerziehenden Elternteil (37 Prozent). 14 Prozent lebten bei einem Elternteil in neuer Partnerschaft und 10 Prozent in einem Heim, bei Verwandten oder an einem anderen Ort.

In knapp jedem dritten Fall (32 Prozent) sei mindestens ein Elternteil im Ausland geboren und die Familiensprache nicht Deutsch, hieß es weiter.

Um die Gefährdungssituation zu beenden, seien in 91 Prozent der Fälle im Anschluss eine Hilfe oder Schutzmaßnahme vereinbart worden. Dazu hätten die Jugendämter in 18 Prozent der Kindeswohlgefährdungen Familiengerichte angerufen. Diese werden zum Beispiel dann eingeschaltet, wenn die Eltern nicht bereit oder in der Lage sind, die Gefahr für das Kind abzuwenden, etwa weil sie angebotene Hilfen ablehnen.

In den meisten Fällen von Kindeswohlgefährdung hatten die Behörden Anzeichen von Vernachlässigung festgestellt (58 Prozent). In 37 Prozent fanden sie Hinweise auf psychische Misshandlungen. In weiteren 28 Prozent der Fälle gab es Indizien für körperliche Misshandlungen und in 6 Prozent für sexuelle Gewalt.

Im Vorfeld hatten die Jugendämter laut Bundesamt im Jahr 2024 rund 239.400 Verdachtsfälle durch eine Gefährdungseinschätzung geprüft. Damit nahmen die Gefährdungseinschätzungen binnen fünf Jahren um 38 Prozent zu – also noch stärker als die Kindeswohlgefährdungen – und erreichten ebenfalls einen neuen Höchststand.

Die meisten Hinweise auf eine mögliche Gefährdungssituation hatten 2024 Polizei und Justiz an die Jugendämter weitergeleitet (31 Prozent). Etwas seltener kamen die Hinweise aus der Bevölkerung – also von Verwandten, Bekannten, Nachbarn oder anonym (21 Prozent). Dahinter folgen die Kinder-, Jugend- oder Erziehungshilfe (13 Prozent) und die Schulen (12 Prozent). Nur in etwa einem Zehntel der Fälle stammten die Hinweise aus den Familien selbst, also von den betroffenen Minderjährigen (2 Prozent) oder deren Eltern (7 Prozent).

Eine (akute oder latente) Kindeswohlgefährdung liegt vor, wenn eine erhebliche Schädigung des körperlichen, geistigen oder seelischen Wohls eines Kindes droht oder bereits eingetreten ist.