Das Lieferkettengesetz bleibt, doch die Bundesregierung hat jetzt starke Lockerungen auf den Weg gebracht. Das kommt den Unternehmen entgegen. Entwicklungsorganisationen hingegen üben scharfe Kritik.
Das deutsche Lieferkettengesetz bleibt und wird doch deutlich entschärft. Die Regelung zur Wahrung von Umwelt- und Menschenrechtsstandards soll laut einem am Mittwoch im Kabinett beschlossenen Gesetzentwurf unternehmerfreundlicher werden. Hierfür will die Regierung bestehende Berichtspflichten streichen und Verstöße nur in besonders schweren Fällen bestrafen. Ziel sei es, die Umsetzung der sogenannten Sorgfaltspflichten in den Lieferketten für Unternehmen zu erleichtern. Während die Änderung Arbeitgebern nicht weit genug geht, zeigten sich Entwicklungsorganisationen.
Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) versprach, dass mit der Gesetzesänderung die Menschenrechtsstandards weiter hoch blieben, insbesondere mit Blick auf den Schutz von Kindern vor Ausbeutung und Zwangsarbeit. “Das nationale Gesetz gilt nahtlos weiter, bis das EU-Lieferkettengesetz in deutsches Recht umgesetzt ist”, so Bas. Der neue Gesetzentwurf muss noch den Bundestag passieren. Die EU-Richtlinie wird indes derzeit überarbeitet und soll bis Mitte 2026 von den EU-Mitgliedstaaten umgesetzt werden.
Die deutsche Wirtschaft stößt sich seit Jahren am Lieferkettengesetz und hält es für eine Wachstumsbremse. Die Union hatte daher im Wahlkampf angekündigt, dass sie das Gesetz ganz abschaffen wolle. Die SPD hatte versprochen, Hürden für Unternehmen abzubauen, bis die EU-Richtlinie greift. Auch mit der geplanten Änderung sehen Arbeitgeber jedoch weiterhin eine große bürokratische Belastung für die Wirtschaft. Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände sprach sich erneut für ein komplettes Abschaffen des Gesetzes aus.
Nichtregierungsorganisationen werten den Kabinettsbeschluss als Verrat an der ursprünglichen Idee. Das katholische Entwicklungshilfswerk Misereor beklagte einen “völkerrechtlich unzulässigen Rückschritt beim Menschenrechtsschutz in der Wirtschaft”. Die Gesetzesänderung sei kein Bürokratieabbau, sondern eine offene Einladung, es mit den Menschenrechten nicht mehr so genau zu nehmen.
Die Initiative Lieferkettengesetz sprach von einem “fatalen Rückschritt auf Kosten von Menschenrechten und Umwelt”. Mit der Gesetzesänderung würden dem eigentlichen Lieferkettengesetz wichtige Hebel geraubt, um wirksam gegen Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung vorzugehen. Oxfam beklagte vor allem den Wegfall der Sanktionen. Alle Fortschritte drohten damit hinfällig zu werden.
Auch der entwicklungspolitische Dachverband Venro nannte die geplante Änderung “hochproblematisch”. “Wir haben in der Vergangenheit gesehen, dass Selbstverpflichtungen der Wirtschaft nicht genug gebracht haben. Für uns ist deshalb klar, dass ein solches Gesetz nur wirkt, wenn Unternehmen einerseits Anreize gegeben werden und zugleich aber auch Konsequenzen zu befürchten sind”, sagte Venro-Vorstandsmitglied Carsten Montag.
Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) warf der Bundesregierung vor, Menschenrechte und Umweltschutz bei den Lieferketten “aufs Abstellgleis” zu stellen. “Der Gesetzesnovelle liegt das Narrativ zugrunde, dass die Wirtschaft floriert, wenn der gesetzliche Schutz von Mensch und Umwelt erodiert. Das Gegenteil ist der Fall”, kritisierte ZdK-Präsidentin Irme Stetter-Karp.