Wie in Umberto Ecos Roman „Der Name der Rose“ gehört das Verbot von Büchern zu den markantesten Merkmalen, wenn man die katholische Kirche als Institution des finsteren Mittelalters präsentieren möchte. Sagenumwoben bis heute ist der „Index der verbotenen Bücher“, der erst vor 50 Jahren abgeschafft wurde. Dabei war die Leseverbotsliste eine neuzeitliche Erfindung: Nach dem Aufkommen des Buchdrucks im 15. Jahrhundert hat die katholische Kirche schnell erkannt, wie gefährlich die Möglichkeit ist, umstürzlerische und reformatorische Ideen so einfach zu verbreiten.
Bestimmte Bücher sollten nicht gedruckt werden
Unter anderem zur Abwehr solcher Ideen wurde 1542 die „Heilige Römische und Universale Inquisition“ gegründet. 1571 folgte dann zusätzlich eine Indexkongregation, der es um die möglichst umfassende Kontrolle des Buchmarkts ging. Bereits 1559 wurde der erste päpstliche Index publiziert. Bestimmte Bücher sollten am besten erst gar nicht (nach-)gedruckt werden. Und wenn man das nicht verhindern konnte, so durften Katholiken sie nur mit einer bischöflichen Sondererlaubnis lesen. Verstöße wurden mit der von selbst eintretenden Exkommunikation bestraft.
Verboten wurden etwa Erasmus von Rotterdam, Giordano Bruno und der Reformator Martin Luther – auch dessen Bibelübersetzung ins Deutsche. Außerdem auf dem Index standen Werke, die sich mit der Magie und Astrologie beschäftigten oder als „obszön“ galten.
Es war eine „Bewahrpädagogik“, die katholische Kirche als Teil einer Buchreligion bekämpfte Bücher. Manchmal wurde auch das gesamte Werk eines Autors verboten und damit nicht nur dessen wirtschaftliche Existenz vernichtet. Erste Anzeichen der Überforderung zeigten sich im 19. Jahrhundert. Je freier in Gesellschaft und Wissenschaft neue Ideen diskutiert wurden, desto mehr wurde das Verbot von Büchern zu einem Akt der Selbstisolierung. Verboten wurden zuletzt vor allem katholische Reformtheologen wie George Tyrell oder Marie-Dominique Chenu, aber auch der Atheist und Existenzialist Jean-Paul Sartre.
Der jüngste aufgelegte „Index librorum prohibitorum“ aus dem Jahr 1948 umfasst immerhin 6000 Einträge, das letzte indizierte deutsche Buch war das Werk „Der Mündige Christ. Katholische Kirche auf dem Weg der Reifung“ von Josef Thomé im Jahr 1955. Dem Spuk ein Ende setzte das Zweite Vatikanische Konzil. Bereits Ende 1965 gab es einen päpstlichen Erlass, nach dem Bücher nicht mehr verboten, sondern nur noch „missbilligt“ werden sollten. Offiziell abgeschafft wurde der Index am 14. Juni 1966 von Papst Paul VI.
„Der Papst unterstrich, die Glaubenslehre könne heutzutage wirksamer durch Förderung der Wissenschaft und positive Darlegung der Gründe kirchlicher Entscheidungen geschützt werden“, schreibt Hubert Wolf im Standardwerk zum Thema (siehe Buchhinweis). Jener Fundus der verbotenen Bücher ist inzwischen zu einem wahren Schatz für die Kirchengeschichtsforschung geworden. Länger bekannt waren die Plakate, mit denen im Laufe der Jahrhunderte an den römischen Hauptkirchen vor bestimmten Druckerzeugnissen gewarnt wurde. Seit 1998 sind jetzt auch Prozessakten einem breiteren Kreis von Forschern zugänglich.
Index lässt Rückschlüsse auf Entscheidungen zu
Mindestens so interessant dabei ist, welche Bücher angezeigt und untersucht, aber nicht verurteilt wurden. „Onkel Toms Hütte“ von Harriet Beecher Stowe ist genauso darunter wie der „Knigge“. Selbst Kirchenväter, Klassikerausgaben und andere Standardwerke waren betroffen: von Ambrosius bis Thomas von Aquin, Sokrates bis Vergil. Davon hat die Öffentlichkeit meist nichts erfahren.
Die gegenwärtige Forschung wird vor allem von dem Münsteraner Kirchengeschichtler Wolf und einem großen Stab von Mitarbeitern in den Archiven der Glaubenskongregation geleistet. Die Forschergruppe ist dabei, das Langzeitprojekt in diesem Jahr abzuschließen.
Wolf denkt schon weiter. Mehr als 15 Jahre lang hat man die gesamten Archivbestände der Glaubenskongregation durchsiebt, wie er sagt. Aufgrund dieses Wissens sei man jetzt in der Lage, die Hintergründe von Glaubensentscheidungen aufzudecken und zu analysieren.
• Buchhinweis: Hubert Wolf: Index. Der Vatikan und die verbotenen Bücher. Verlag C.H. Beck, 303 Seiten, 12,95 Euro.