Die Huntsmans gelten als die Kennedys unter den Mormonen. Die Klage eines Sohns des milliardenschweren Philanthropen Jon Huntsman gegen seine Kirche schlägt nun hohe Wellen.
James Huntsman verlangt sein Geld zurück. Fünf Millionen Dollar, um genau zu sein. Diese hatte der Erbe des 2018 verstorbenen Milliardärs und Kirchenführers Jon Huntsman an die Mormonen gespendet. Das ehemalige Mitglied der “Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage” dachte, sein vorgeschriebenes Zehnt würde für karitative Zwecke ausgegeben. Tatsächlich sei es heimlich in den 175 Milliarden Dollar schweren “Ensign Peak Advisors”-Investmentfonds der Religionsgemeinschaft geflossen.
Ein Jahr nach seinem Austritt aus der Kirche verklagte Huntsman sie wegen Betrugs. Die Kirche habe “wiederholt und öffentlich gelogen”, was sie mit den Spendengeldern macht. In erster Instanz verlor der 52-jährige Nachfahre der einflussreichen Mormonen-Dynastie. Im August kassierte das 9. U.S Berufungsgericht das Urteil. Man könne vernünftigerweise zu dem Schluss gelangen, die Kirche habe nicht die Wahrheit über die Verwendung der Mittel gesagt.
Huntsman stützte sich bei seiner Klage auf die Aussagen eines ehemaligen Mitarbeiters des Fonds, David Nielsen. Dieser hatte der Kirche 2019 vorgeworfen, über den Umweg der “Ensign Peak Advisors” eine finanziell in Schieflage geratene Shopping-Mall der Kirche unterstützt zu haben. Dafür wollte Huntsman seine Spenden nicht verwendet sehen.
“Ich habe nichts gegen die Mormonen-Kirche” insistiert der Vater von fünf Kindern in dem ersten Interview seit seiner Klage. Dieses gab er ausgerechnet dem Boulevardblatt “Daily Mail”, das neben der Washington Post, New York Times und dem örtlichen Salt Lake Tribune prominent über die Fehde zwischen der Kirchenführung und dem abtrünnigen Promi-Mormonen berichtet hat. “Ich glaube einfach nur, dass sie Betrug begangen haben.”
Mit der PR-Offensive positioniert sich Huntsman für die nächste Runde des Rechtsstreits, die nun wieder vor dem Bundesgericht ausgetragen wird. Der Sprecher der “Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage”, Sam Penrod, beharrt darauf, dass es keine krummen Geschäfte oder düstere Verwendung der Mittel gegeben habe. “Wie wir früher schon gesagt haben: Es gibt keinen Betrug.” Die Kirche freue sich darauf, den Fakten auf den Grund zu gehen.
Das tut auch der Inhaber der Film-Verleihfirma Blue Fox Entertainment. Huntsman ist nicht irgendwer in der “Kirche der Heiligen der Letzten Tage”. Seine Familie steht für eine Dynastie in der viertgrößten Glaubensgemeinschaft der USA, deren Vermögen auf 236 Milliarden Dollar geschätzt wird.
Die Huntsmans werden wegen ihres Einflusses oft als die “Kennedys der Mormonen” bezeichnet. James’ Vater galt als Autorität in der Kirche, sein Großvater gehörte dem Führungsgremium der Zwölf Apostel an. Bruder Jon Jr., ehemaliger Gouverneur von Utah und Kandidat für die US-Präsidentschaft, vertrat die USA als Botschafter in Peking.
Die Klage erzielt auch deshalb so viel Aufsehen, weil sie andere motiviert, dem Beispiel Huntmans zu folgen. Die Munition liefert Finanzexperte David Nielsen, der jahrelang für die Investmentabteilung der Kirche tätig war und 2019, zwei Jahre vor Huntsman, eine Klage eingereicht hatte. Er beziffert die Summe an missbräuchlich eingesetzten Spendengeldern aus dem Zehnt auf rund 100 Milliarden Dollar.
Die Kirche weist jede Betrugsunterstellung weit von sich. Stattdessen beruft sie sich auf die in der Verfassung geschützte Religionsfreiheit. Diese garantiere ihr das Recht, Geld zu sammeln und auszugeben, wie sie es für richtig halte. Die Vorwürfe kommen zu einer Zeit, in der die Mormonen mit dem Rückgang ihrer Mitgliederzahlen ringen und Forderungen nach Transparenz immer lauter werden.
In mormonischen Podcasts und Blogs laufen die Gläubigen Sturm. Kritiker kommen zum Beispiel bei John Dehlin zu Wort, der den beliebten Podcast “Mormon Stories” moderiert. “Selbst die überzeugten Verteidiger der Kirche wissen, dass an den Vorwürfen etwas dran ist”, so Dehlin.
Huntsman pocht seinerseits auf strikte Verwendung des Zehnten für gute Zwecke. Er verspricht bei einem gerichtlichen Erfolg, nicht einen Cent für sich behalten zu wollen. Sollte er sein Geld zurückbekommen, will er es für karitative Zwecke spenden – wie ursprünglich gedacht.