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Einem Mythos auf der Spur

Die Bundeslade gilt als verschollen. Doch ist das so? Und woher kommt eigentlich das Wort „verschollen“?

Die Bundeslade. Laut biblischer Berichte enthielt sie die beiden Steintafeln mit den Zehn Geboten, die Mose von Gott bekommen hatte. Als das Volk Israel nach dem Auszug aus Ägypten durch die Wüste wanderte, galt die Bundeslade als Garant für die Gegenwart Gottes. Falls es sie wirklich gegeben hat, gilt sie jedoch seit mehr als 2000 Jahren als verschollen. Zuletzt gab es zwar neue Hinweise auf ihren möglichen Verbleib. Aber nicht nur die Existenz der Bundeslade, auch das Wort „verschollen“ wirft Fragen auf.

Doch zunächst ein historischer Blick zurück: Die Lade mit den Zehn Geboten war ein Wahrzeichen für den Bund Gottes mit dem Volk Israel. Im Zweiten Buch Mose wird sie erstaunlich konkret beschrieben: Sie soll aus Akazienholz gefertigt und innen wie außen mit Gold überzogen worden sein. Auf der Deckplatte thronen zwei Engelwesen, die Cherubim, die schützend ihre Flügel über die Lade halten. Nur wenige Berufene durften die Lade berühren. Bei allen anderen führte dies sogar zum sofortigen Tod, so die Überlieferung.

Existenz kann nicht bewiesen werden

Sollte es diese heilige Truhe tatsächlich gegeben haben, ist sie allerdings seit langer Zeit verschollen und damit in guter Gesellschaft mit anderen Artefakten die in der Bibel eine wichtige Rolle spielen. Man denke nur an die Arche Noah oder den Kelch Jesu beim letzten Abendmahl, der später als der Heilige Gral zu mancherlei Legenden anregte. Archäologen konnten bis heute nicht belegen, dass es diese Gegenstände wirklich gegeben hat. Zum Leidwesen mancher Gläubigen, die deren Existenz gern bewiesen hätten.

Und so beschäftigten sich zuletzt eher Hollywood-Produzenten statt Archäologen mit den biblischen Überlieferungen. Dan Browns Bestseller über die Suche nach dem Heiligen Gral wurde im Kino einem Millionenpublikum als „Da Vinci Code“ bekannt. Und immerhin vier Oscars erhielt der Film „Jäger des verlorenen Schatzes“, in dem sich Harrison Ford als Uni-Professor mit dem Spitznamen „Indiana Jones“ auf die Suche nach der verschollenen Bundeslade begibt. Tempi passati könnte man meinen, alles vergangen, heute nicht mehr zu beweisen. Nur noch Mythen und Legenden, von König Artus bis Indiana Jones.

Vor einiger Zeit jedoch sorgten Aussagen des Patriarchen der Kirche von Äthiopien für erhebliches Aufsehen. Abuna Pauolos war bis zu seinem Tod 2012 höchste Autorität der orthodoxen Tewahedo-Kirche. Pauolos behauptete nach einer Papst-Audienz gegenüber der Zeitung „Die Welt“, er wisse über den Verbleib der Bundeslade Bescheid: „Sie befindet sich bei uns in Axum. Äthiopien ist der Thron der Bundeslade, seit hunderten von Jahren schon. Ich habe sie selbst gesehen.“

Viele Spuren führten ins Nichts

Die Lade sei keinem Alterungsprozess unterworfen und entspreche exakt den Beschreibungen der Bibel, erklärte der Patriarch. „Das Gesegnete bleibt. Das Heilige bleibt. Die Bundeslade ist nicht von Menschenhand gemacht. Sie ist ein Geheimnis", fügte Abuna Pauolos seinem Statement noch hinzu.

Allerdings folgt gleich die Ernüchterung: Auch hier gibt es bis heute keinen Beweis, dass sich die Lade tatsächlich im äthiopischen Axum befindet. Die nächste Enttäuschung also.

Schon Jahrzehnte zuvor, im Jahr 1920, hatte der Amerikaner Antonia Frederick Futterer behauptet, im Berg Nebo in Jordanien gebe es einen Geheimgang mit der Hieroglyphen-Inschrift: „Hierin liegt die goldene Bundeslade.“ Doch auch diese Spur war eine Sackgasse.

Ebenso wie die Beteuerung von Tom Crotser, er habe 1981 im Berg Nebo in einer Krypta die Bundeslade gefunden. Statt weiterer Untersuchung fertigte der Amerikaner allerdings nur einige Fotos an, die wenige Menschen sehen durften. Zu ihnen gehörte der Archäologe Siegfried A. Horn, der anschließend berichtete, auf den Aufnahmen sei kaum etwas zu erkennen gewesen und schon gar kein altertümliches Relikt.

Also auch hier Fehlanzeige. Nach biblischem Befund wurde die Bundeslade zuletzt im ersten Tempel von Jerusalem, zusammen mit anderen Reichtümern, aufbewahrt. Als die Babylonier im 6. Jahrhundert vor Christus unter König Nebukadnezar II. Jerusalem eroberten, zerstörten sie auch den Tempel und führten einen Teil der Bevölkerung Judäas ins Exil. Hier verliert sich die Spur der Bundeslade. Sie gilt seitdem als verschollen.

Und nun kommt die sprachliche Erkenntnis hinter dieser Geschichte. Die Bedeutung des Wortes „verschollen“ ist eigentlich jedem klar. Etwas oder jemand ist verschwunden und niemand weiß, wohin. Nur woher stammt dieser Begriff eigentlich?
Manche verbinden damit tatsächlich das Bild von einer Scholle; so wie ein Eisbär darauf seinem ungewissen Schicksal entgegenschwimmt. Der Duden jedoch klärt auf, dass es vielmehr um den Schall geht. „Verschallen“ ist das Verb und bedeutet eben, dass etwas aufhört zu schallen. Das Verb bildet die Vergangenheitsform mittlerweile regelmäßig, also „er verschallte“ oder „es ist verschallt“.

Gottes Bund mit dem Volk Israel

Bloß das Partizip „verschollen“ hat sich abgespalten und als Adjektiv selbstständig gemacht: „Wenn der Schall verklungen ist, ist er weg – also verschollen“, so erklärt es der Duden.

Und was die Bundeslade angeht: Akustisch betrachtet schallt sie nicht mehr. Und dennoch hallt ihre Botschaft bis in die heutige Zeit. Sie stand symbolisch für den Bund Gottes mit dem Volk Israel. Das hat die Menschen zu jeder Zeit fasziniert, nicht nur in Büchern oder Filmen. Und auch heute noch vertrauen Gläubige darauf, dass Gott mit ihnen geht, selbst wenn die Lade für immer verschollen bleibt.