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Eine Kul-Tour de France 2025

Die Tour de France ist nicht nur das berühmteste Radrennen der Welt, sondern auch eine Art Visitenkarte unseres Nachbarlandes. Eine kulturelle Erkundung entlang der Strecke.

Die 112. Auflage: 109 gemeldete Starter und ihre Teams brechen am 5. Juli in Lille zur diesjährigen Tour de France auf. Wie jedes Jahr rasen sie an jeder Menge Kulturerbe vorbei, an vielen der schönsten Dörfer und Städte Frankreichs. Ein Abstecher ins Ausland ist diesmal nicht vorgesehen; erstmals seit 2020.

Die berühmteste Rundfahrt der Welt, ausgetragen seit 1903, bietet sich auch an, um kleine und große Sehenswürdigkeiten des Landes kennenzulernen. Als Streifzug durch Geschichte, Kultur und Kulinarik – kurzum: als eine Visitenkarte der “Grande Nation”.

3.339 Kilometer in rund drei Wochen haben die Fahrer 2025 in 21 Etappen zu bewältigen. Die längste Tagesstrecke geht, gleich am zweiten Tag, über 212 Kilometer. Und wie immer gilt das Qualitätsurteil von Herbert “Speiche” Watterott (83), der “Stimme der Tour”, die zwischen 1965 und 2006 das Rennen 41-mal kommentierte: “ein radsportverrücktes Örtchen, in dem auch guter Wein gemacht wird”.

Tatsächlich werden in diesem Jahr Frankreichs Norden, Osten und Südwesten durchpflügt – mit vielen Zwischentransporten. Der “Grand Depart” (Start) ist dieses Jahr im hohen Norden: in Lille, der Stadt des Mega-Trödelmarkts und Volksfestes “Braderie de Lille” im September – wo es für Restaurants auch darum geht, als Anerkennung den größten Haufen verzehrter Krustentiere vor der Tür zu haben.

In den ersten Tagen wird das Land der “Scht’is” durchmessen – mit Valenciennes an der Schelde, Dunkerque (Dünkirchen), dem Ort des barocken Festungsbaumeisters Vauban und der Evakuierung des von den Deutschen eingekesselten eingeschlossenen Britischen Expeditionskorps 1940; sowie mit Arras, einer stark flandrisch geprägten Stadt, Ort einer großen Hexen- und Ketzerjagd Mitte des 15. Jahrhunderts und bekannt für seine Andouillette (grobe Schweinswurst).

Danach geht es ins flache Land der Kathedralen, die rund um Paris in ihren Städten hocken wie riesige nistende Rebhühner. Von Amiens, wo Jules Verne seine “Reise um die Erde in 80 Tagen” schrieb, startet die vierte Etappe nach Rouen, Gefängnis- und Sterbeort von Jeanne d’Arc auf dem Scheiterhaufen der Engländer. Ihre Asche wurde in die Seine gestreut. Tags darauf folgt eine Rundfahrt um Caen, die Stadt von Wilhelm dem Eroberer – bereits zum 36. Mal Etappenort der Tour.

Und weiter Wilhelm: Entlang des weltberühmten Wandteppichs von Bayeux rast das Feld am 10. Juli durchs Hinterland der Normandie, wohl ohne den berühmten Calvados zu kosten. Es folgt ein Hopp zu der malerischen bretonischen Hafenstadt Saint-Malo, von der das Feld wiederum ins Hinterland vorstößt zum westlichsten Punkt der diesjährigen Tour.

Von hier geht es in Eilmärschen runter in den Süden, immer im Wechsel von Etappen und anschließendem Hopping; unter anderem von Chinon an der Vienne, wo sich wiederum Jeanne d’Arc 1429 vom Dauphin die Erlaubnis holte, sich für ihn in die Schlacht um Orléans gegen die Engländer zu werfen, nach Châteauroux im Berry. Nach dem Ruhetag saust das Feld dann auf 154 Kilometer rund um Toulouse, die rote Ziegelstadt mit ihren wunderbaren Kirchbauten und Renaissancepalästen – und dem Cassoulet, einem überbackenen Eintopf aus weißen Bohnen und Pökelfleisch.

Tags darauf geht es vom malerischen Städtchen Auch am Jakobsweg in Richtung Pyrenäen, und wieder einen Tag später nach Pau, als Geburtsort Heinrichs IV. eine “Reformationsstadt Europas”. Die vielleicht schönste Stadtansicht der diesjährigen Tour bietet sich dem Peloton dann am Sonntag (20. Juli) bei der Anfahrt auf Carcassonne mit seiner riesigen mittelalterlichen Festung.

Großstädtisch wird es dann noch mal beim Start in Montpellier, dessen Wahrzeichen die gotische Ziegelkathedrale mit ihren imposanten Kegeltürmen ist. Doch das bleibt es nicht – denn Zielort dieser 16. Etappe ist der von Legenden umwobene Mont Ventoux. Von dort geht es entschlossen in Richtung Savoyen und damit in die Alpen, unter anderem ins Olympiastädtchen Albertville und seinen mittelalterlichen Vorgängerort Conflans.

Entschieden ist die 112. Tour de France dann am Samstag, dem 26. Juli. Die 20. Etappe endet in Pontarlier unweit der Schweizer Grenze, im 19. Jahrhundert die Hauptstadt der Absinth-Herstellung. Am Sonntag folgt dann noch ein kommodes Ausfahren von 120 Kilometern Richtung Champs-Élysées, bei dem der Führende traditionell nicht mehr angegriffen wird. Hier bekommt dann einer, was die anderen 108 nicht bekommen: Lorbeer, Küsschen, Schampus, das Gelbe Trikot – und ein Döschen für die Dopingprobe.