Kiel. Wie gigantische Legospielplätze sehen die Landschaften und Städte aus, die mit dem Computerspiel „Minecraft“ entstehen. Vor allem Kinder und Jugendliche erbauen sich in der „Minecraft“-Welt ihre Wunschstädte und Traumregionen. Dabei können sie gemeinsam neue Welten erschaffen und auch räumlich voneinander getrennt miteinander kommunizieren.
Das hat die Sozialpädagogin und Leiterin der Kinder- und Jugendarbeit der Kirchengemeinde im Kieler Stadtteil Gaarden, Christiane Marder-Bassen, aufgegriffen und daraus ein Projekt entwickelt, mit dem sie die Jungen und Mädchen im ersten Lockdown beschäftigt, verbunden und inspiriert hat. Sie forderte die Schüler dazu auf, gemeinsam „Jugendräume der Träume zu bauen“, und konnte dadurch den Kontakt zu den Jugendlichen halten.
Zum Preis gibt’s auch Geld
Für das „Minecraft“-Projekt wird die Kirchengemeinde Gaarden jetzt mit dem Innovationspreis des Kirchenkreises Altholstein ausgezeichnet. Dotiert ist der Preis mit 500 Euro.

Im März 2020 richtete Christiane Marder-Bassen einen Server ein und schaffte einige Laptops an. Viele Jugendliche hatten bereits einen „Minecraft“-Account, über den sie ihren eigenen Avatar – eine persönliche Computerfigur – kreieren konnten. Um miteinander reden oder chatten zu können, benötigt man zudem den Online-Dienst Discord.
Und so konnten sich die Jugendlichen virtuell treffen, gemeinsam über ihre Traumräume diskutieren, Wünsche äußern und die Welt zusammen nach ihren Vorstellungen einrichten. Dazu stehen ihnen im Spiel Werkzeuge, Materialien oder Pflanzen zur Verfügung. Mögliche Gewalt lässt sich im Kreativmodus ausschalten, erklärt Marder-Bassen. Darauf habe sich die Gruppe geeinigt.
Gläsernes Jugendschiff
So haben die 10- bis 16-Jährigen über mehrere Wochen ihre dreidimensionalen Wunschräume in der Kirchengemeinde Gaarden kreiert und so auch die Kirche und die Innenräume umgestaltet. Neben den bestehenden Gebäuden, die in der Realität nahe der Kieler Förde stehen, entstand ein gläsernes Jugendschiff im Wasser, in das nur Jugendliche hinein dürfen – ausgestaltet mit Sofas und Pflanzen, mit viel Licht und freiem Blick in den Himmel.
Die 57-jährige Marder-Bassen, die so etwas noch nie gespielt hatte, ließ sich dabei von den Jugendlichen an die Hand nehmen und war selbst einmal in der Woche mit in der Computer-Welt. Für sie war es wichtig, den Jugendlichen während der Pandemie den Impuls zu geben, dass es wieder besser wird, sagt die Sozialarbeiterin, die seit 2017 für die Gaarder Jugendarbeit zuständig ist. Durch dieses Projekt sei es gelungen, den Kontakt zu halten und an die Zeit vor Corona anzuknüpfen.
Sozialer Brennpunkt
Zurzeit dürfen sich die bis zu 23 Jungen und Mädchen wieder treffen und an den Gruppen der Jugendarbeit, an Projekten und auch an Fahrten teilnehmen. In dem sozialen Brennpunkt Kiels sind 80 Prozent der Einwohner muslimischen Glaubens. Um die christlich geprägten Jugendlichen zu erreichen, ist Marder-Bassen zuerst in die Schulen gegangen und hat dort Gruppen angeboten. Die Basis ihrer Arbeit bilden vier Säulen: Glaubensbildung, kulturelle und Persönlichkeitsbildung sowie Demokratiebildung.
Das „Minecraft“-Projekt sei dafür sehr gut geeignet: Die Jugendlichen müssten Entscheidungen treffen, miteinander diskutieren und Instrumente der Demokratie anwenden, sie könnten sich einbringen und Selbstwirksamkeitserfahrungen machen. Die Glaubensbildung erfolge in den Gruppen der offenen Jugendarbeit: Die Jugendlichen gestalteten Gottesdienste mit, sie nähmen an Andachten teil, und für die Kochgruppe gehöre das Gebet vor dem Essen fest dazu, so die Pädagogin.
Die Erfahrungen mit „Minecraft“ brachte die Gruppe in ein fünftägiges EU-Beteiligungsprojekt in der Markuskirche ein. Das hatte zum Ziel, Jugendliche aus ganz Europa in Sachen Stadtteilentwicklung zu verbinden. Darin haben Gaardener Jugendlichen ihren Stadtteil neu gestaltet. Aus diesem Projekt, begleitet vom Kieler „Büro soziale Stadt Gaarden“, ist ein Film entstanden, der auf Youtube unter
zu finden ist.