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Eine Hommage ans Leben

Als Schauspieler verkörperte er das Leben – zum Beispiel als energiegeladener Opa in der TV-Kultserie „Klimbim“. Heute sagt Wichart von Roëll: „Ich denke oft über das Ende nach.“ Gemeinsam mit seiner Frau engagiert er sich im Hospizdienst Oer-Erkenschwick.

„Früher oder später“ – mit einer Theater-Inszenierung will der Ambulante Hospizdienst Oer-Erkenschwick im Kirchenkreis Recklinghausen auf seine Arbeit aufmerksam machen (siehe Artikel unten). Warum ist das notwendig? Und was macht so ein Hospizdienst eigentlich? Gerd-Matthias Hoeffchen im Gespräch mit Pfarrer Ulrich Radke, dem kreiskirchlichen Hospizdienstkoordinator, sowie Anne Althoff-von Roëll und dem Schauspieler Wichart von Roëll. Das Ehepaar hat die Schirmherrschaft für den Hospizdienst übernommen.

Mit der Theater-Inszenierung „Früher oder später“ wollen Sie für die Hospizarbeit werben. Wie gut lassen sich Menschen denn auf die Themen Tod und Sterben ansprechen?
Anne Althoff-von Roëll: Viele empfinden zunächst eine Scheu. Der Tod ist oft ein Tabu. Aber wir erleben, dass man Menschen durchaus dafür interessieren kann. Nämlich dann, wenn man sie auf ihre Erfahrungen anspricht. Und die hat jeder gemacht. Als der Opa starb, die Eltern. Da hat man sich über Begleitung gefreut – oder hätte sie sich zumindest gewünscht.

Beobachten Sie bestimmte Typen, die sich auf die Hospizarbeit ansprechen lassen?
Ulrich Radke: Unser Team von Ehrenamtlichen ist bunt gemischt. Förster, Apothekerin, Krankenschwester, Verwaltungsfachkraft sind dabei, Alter zwischen 23 und 75 Jahren.
Anne Althoff-von Roëll: Es sind Menschen mit sehr weiten Herzen.

Muss man Christ sein, um mitzumachen?
Ulrich Radke: Nicht unbedingt. Historisch gesehen entstand der Hospizdienst als bürgerschaftliche Bewegung. Aber er ist auch ein urchristliches Anliegen. Deshalb wird die Arbeit hier vor Ort vom evangelischen Kirchenkreis und der Diakonie getragen. Ich selbst bin Pfarrer. In unserem Team sind Christinnen und Christen genauso wie Skeptiker und Agnostiker. Gemeinsam ist allen die Offenheit für Spiritualität.

Auf dem Tisch stehen Brezel, Kaffee und Tee. Die Atmosphäre ist gelöst, familiär. Die von Roëlls haben die Schirmherrschaft für den Hospizdienst in Oer-Erkenschwick übernommen. Beide sind PR-Profis. Anne Althoff-von Roëll war bis zum Ruhestand Pressesprecherin der Ruhrfestspiele, einem der größten Theaterfestivals Europas. Ihr Erkennungszeichen sind die feuerroten Haare. Wichart von Roëll ist Schauspieler, Träger des Adolf-Grimme-Preises. Selbst in Jeans und Pullunder zeigt er eine Eleganz, die andere nicht im Smoking schaffen. Durch ihre Kontakte zu Presse und Prominenten verschaffen die von Roëlls der Hospizarbeit Aufmerksamkeit.

Worin genau besteht der Dienst der Ehrenamtlichen?
Ulrich Radke: Es geht darum, Menschen am Ende ihres Lebens und ihre Angehörigen zu begleiten, die Konfrontation mit dem Sterben zu verarbeiten und darauf vorzubereiten. Auch um ganz praktische Hilfe und Beratung: Wie regele ich was? Manchmal vermitteln wir auch zwischen Familienangehörigen.
Wichart von Roëll: Wir hatten den Fall, dass Eltern völlig den Kontakt zu ihren Kindern verloren hatten. Wir haben dann geholfen, ihn wiederherzustellen. Anschließend konnte der Vater in Ruhe loslassen.

Klingt anspruchsvoll.
Anne Althoff-von Roëll: Wer mitmachen will, wird von uns gut vorbereitet. Die Ausbildung dauert ein Jahr und umfasst 120 Stunden, meist an Wochenenden und in Blockseminaren. Mein Mann und ich haben diese Ausbildung selbst mitgemacht. Sie hilft wirklich sehr.

Wen kann man für die Schirmherrschaft gewinnen? Als die Hospizgruppe vor drei Jahren über diese Frage nachdachte, sei man alle Prominenten durchgegangen, die irgendeine Beziehung zu Oer-Erkenschwick haben könnten, erzählt Pfarrer Ulrich Radke. Auch den Schauspieler Leonardo di Caprio habe man angeschrieben. Dessen Großmutter lebte bis zu ihrem Tod vor elf Jahren in Oer-Erkenschwick. Aber der Hollywood-Star habe nicht mal geantwortet, so Radke. Auch Wichart von Roëll sagte zunächst ab – zu viel Arbeit. „Aber Pfarrer Radke hat nicht lockergelassen“, erzählt von Roëll. „Und irgendwann habe ich mal vorbeigeschaut – und war begeistert.“

Warum gehen Menschen in die Hospizarbeit, freiwillig und ehrenamtlich?
Ulrich Radke: Ich erlebe vor allem drei Gründe. Zum einen Dankbarkeit. Menschen sagen: Mir ist es in meinem Leben so gut ergangen, ich möchte etwas zurückgeben. Dann gibt es die, die einen Trauerfall erlebt haben und dabei in ein Loch gefallen sind. Sie sagen: Ich hätte mir gewünscht, dass da jemand gewesen wäre, der mir Halt gibt. Diesen Halt wollen sie jetzt anderen geben. Und dann ist da die Hospizgruppe als Gemeinschaft. Hier treffen sich Gleichgesinnte; Menschen, die ähnlich schwingen und im Gleichklang sind.

Stellt man sich bei dieser Arbeit auch der eigenen Vergänglichkeit?
Wichart von Roëll: Unbedingt. Das Leben ist zerbrechlich, es kann in jedem Moment vorbei sein. Auch wenn das für alle gilt – im Alter nimmt dieses Bewusstsein dann doch stark zu.

• Erleben Sie das auch persönlich?
Wichart von Roëll: Natürlich. Ich bin jetzt 82. Ich hatte ein reiches und erfülltes Leben. Aber jetzt kommen diese Fragen immer näher.

Wichart von Roëll stammt aus Pommern, die Familie floh, als er sieben war. Als junger Mann fuhr von Roëll zur See. Beim Interview krempelt er auf Nachfrage den Hemdsärmel hoch und zeigt eine Tätowierung aus den frühen Tagen. Nach Schauspielausbildung und Theater-Engagements folgte die Rolle, die ihn berühmt machen sollte und mit der er – trotz zahlreicher weiterer Rollen – bis heute in Erinnerung geblieben ist: die des garstigen Opas in der Serie „Klimbim“ (1973-1979). Unvergessen auch sein Auftritt im Sketch „Django zahlt heute nicht. Django hat Monatskarte.“
„Im deutschen Fernsehen war Klimbim Revolution“, erinnert sich von Roëll. Klamauk, Nonsens und der blanke Busen der Schauspielerinnen Elisabeth Volkmann und Ingrid Steeger machten die Sendung zur Legende. Heute gilt Klimbim als Urmutter des deutschen Comedy.

Haben Sie Angst vor dem Tod?
Wichart von Roëll: Manchmal träume ich von meinen verstorbenen Kolleginnen und Kollegen. Von der Klimbim-Familie leben ja nur noch Ingrid Steeger und ich. Das ist so wahnsinnig traurig. Wir waren eine eingeschworene Gemeinschaft, eine tolle Truppe, die auch abseits der Bühne gut miteinander ausgekommen ist. Jetzt sind die meisten von uns schon weg. Angst vor dem Tod? Nein. Aber vor dem Sterben. Ich bin schon sehr in der Nähe des Todes, aber ich blicke ihm mittlerweile recht gelassen entgegen.
Ulrich Radke: Auch das lernt man in der Hospizarbeit und im Umgang mit schwerkranken und sterbenden Menschen: Das Leben zu ehren, mehr wertzuschätzen, jeden Moment des Lebens als ein kostbares Geschenk anzunehmen!
Anne Althoff-von Roëll: Genau darum geht es bei der Theater-Inszenierung „Früher oder später“. Wir wertschätzen das Leben. Wir erfreuen uns daran. Es ist eine Hommage ans Leben.