Skurrile kleine Lebewesen und ein Meer von Gräsern rückt eine Arte-Dokumentation mit modernster Aufnahmetechnik ins Bild.
In Zusammenarbeit mit filmdienst.de und der Katholischen Filmkommission gibt die KNA Tipps zu besonderen TV-Filmen:
Der Film von 2019 beweist, dass Naturdokus nicht nur dann ein wahrer Augenöffner sein können, wenn sie den Zuschauern ferne Länder und deren exotische tierische Bewohner nahebringen, sondern auch, wenn es um scheinbar ganz Alltägliches vor der eigenen Haustüre geht.
Naturwiesen sind Teil unserer Kulturlandschaft – und sie beherbergen eine ungeheure Fülle unterschiedlichster Lebewesen und Pflanzen, die aber viel zu oft übersehen werden und die außerdem durch die Intensivierung der Landwirtschaft vom Aussterben bedroht sind.
Der inhaltlich wie visuell meisterliche Film von Jan Haft, einem von Deutschlands renommiertesten Natur-Dokumentaristen, skizziert die enorme Artenvielfalt dieses Lebensraums im Wechsel der Jahreszeiten. Dabei kommen virtuos Hilfsmittel wie Super-Zeitraffer und -Zeitlupe, Mikro-, Makro- und Mini-Drohnenbilder zum Einsatz.
Auch akustisch bringt der Film die üppige Fülle der Natur zu Gehör und verbindet die faszinierenden Eindrücke mit dem eindringlichen Appell, das bedrohte Ökosystem zu retten.
“Kein anderer heimischer Lebensraum ist dem völligen Verschwinden so nahe wie die Blumenwiese”, warnt der preisgekrönte Naturfilmer Jan Haft. In seiner Dokumentation “Die Wiese – Ein Paradies nebenan” von 2019 porträtiert er Pflanzen und Tiere einer Waldlichtung in all ihrer Schönheit – und mit all ihren Problemen. In dieser Welt ist ein Drittel unserer Arten zu Hause. Haft appelliert an die Zuschauer, dieses Paradies zu schützen und zu bewahren.
Das Zusammenspiel der Arten und die Abhängigkeit der Tiere und Pflanzen voneinander mache die Blumenwiese zu einem einzigartigen Lebensraum, berichtet der Filmemacher. Hohe Gräser und ein Meer von Margeriten füllen eingangs das Bild, aufwendig mit einer Drohne gefilmt und in Zeitlupe präsentiert. Zugleich brausen sakrale Klänge auf. Sie lassen erahnen, dass es sich um einen Naturfilm mit besonderer Botschaft handelt.
Ein Wald ist zu sehen und ein kleiner Rehbock, der hinter einem Stamm hervorlugt. Schüsse sind zu hören – und es dauert eine ganze Weile, bis Haft das Publikum aufklärt, dass sich dabei nicht um Jäger, sondern den Kugelschnellerpilz handelt, den einzigen Pilz, den man hören kann, wenn er seine Samen freisetzt. Der Rehbock – seine Geburt, sein Aufwachsen und seine Abenteuer – bilden den Mittelpunkt des Films und erinnern durch ihre Dramaturgie an Disneys “Bambi”.
Die Lichtung entstand durch die jährliche Mahd der Bauern, die dadurch ein Zuwachsen durch Büsche und Bäume verhinderten, erklärt Haft: So entstand ein fantastischer Lebensraum für Hunderte von Pflanzen, Vögeln, Kleintieren, Insekten und Käfern.
Man kann nur schützen, was man kennt. Gemäß dieser unausgesprochenen Devise bringt Haft dem Zuschauer die Protagonisten seines Films nahe. Deshalb erzählt er viele kleine Geschichten über die einzelnen Wiesenbewohner. Die Küken des großen Brachvogels zum Beispiel sind gerade dabei, aus den Eiern zu schlüpfen. Der Wiesenbrüter ist stark gefährdet durch Dünger und Landmaschinen. Auch beim Kiebitz seien heute neun von zehn Nistplätzen leer, erklärt der Filmemacher. Nicht so die Feldlerche. Während das Männchen aufsteigt und ein Lied trällert, baut das Weibchen ein Nest und versteckt es in einem Ozean aus Gräsern. Für die großen Raubvögel sei es so schwer zu finden, heißt es.
Auf der Wiese wachsen nicht nur die vertrauten Gräser und Blumen, sondern auch skurrile Pflanzen wie die Ragwurz, eine Orchideenart. Sie ahme mit Aussehen und Duft weibliche Langhornbienen nach, um deren Männchen anzulocken und ihnen winzigen Samen zum Weitertransport auf die Stirn zu kleben. Auf den Ragwurzen versammelten sich gern Schmetterlinge wie die Bläulinge. Unten an der Wurzel wohnten Feldgrillen in Erdlöchern. Diese Grillenart macht ihren Artgenossen gern die Wohnungen streitig, kommentiert Haft.
Der Filmemacher porträtiert eine überwältigende Zahl von Lebewesen und rückt sie mit bestmöglichen Aufnahmetechniken ins Bild: Drohnen und Schienenfahrten, Zeitraffer, Zeitlupen und Normalgeschwindigkeit wechseln sich ab und unterstützen die eindrucksvolle Dramaturgie.
“Die Wiese” ist eine Liebeserklärung an ein vermeintlich alltägliches Wunder, auf dem ein Drittel aller Insektenarten zu Hause sind. Wenn dieser wichtige Lebensraum nicht verschwinden soll, müssen Wiesen stärker geschützt werden, appelliert Haft. Bauern sollten beispielsweise nicht nur Subventionen für Monokulturen, sondern auch für eine artenreiche Landwirtschaft erhalten.